Auf der Großkundgebung des Deutschen Schaustellerbundes (DSB) in Aachen lud Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles das Präsidium des Verbandes zum Gespräch über das neue Arbeitszeitgesetz ins Ministerium nach Berlin ein. Die zentralen Themen des fast zweistündigen Gesprächs am Mittwoch, 28. Januar, waren der Mindestlohn und die damit verbundenen Regelungen hinsichtlich des Arbeitszeitgesetzes, der Dokumentationspflichten und der Anrechenbarkeit von Kost und Logis. DSB-Präsident Ritter betonte nach dem konstruktiven Gespräch: "Wir haben als DSB klar Stellung bezogen."
Bei dem jüngsten Termin im Bundesarbeitsministerium im Januar erläuterten DSB-Präsidium und Hauptgeschäftsführer Frank Hakelberg der Ministerin und ihren Referenten noch einmal die Besonderheiten der Schaustellerbranche. Die Ministerin machte deutlich, dass es ihr mit dem Mindestlohngesetz um mehr Lohngerechtigkeit gehe, die Schausteller aber keinesfalls durch übermäßige Bürokratie in existenzielle Schwierigkeiten gebracht werden sollen. Im Laufe des gemeinsamen Gedankenaustauschs wurden folgende für das Bundesministerium denkbare Erleichterungen für die Schaustellerbranche erarbeitet:
Kost und Logis:
Es gelang dem Präsidium darzulegen, dass auch das Schaustellergewerbe ein Saisongewerbe ist, welches für gewöhnlich von Weihnachten bis in die Osterzeit ruht. Die Ministerin sagte zu, sich mit den zuständigen Stellen in Verbindung zu setzen, damit auch das Schaustellergewerbe ausdrücklich als Saisonbetriebe im Sinne des Mindestlohngesetzes aufgeführt wird. Damit können Kost und Logis zukünftig auf den Lohn angerechnet werden.
Arbeitszeitgesetz:
Die Erläuterungen des Präsidiums, dass es sich beim Schaustellergewerbe zweifelsohne um Saisonbetriebe handelt, sind auch für das Arbeitszeitgesetz von erheblicher Bedeutung. Hier gilt zwar der Grundsatz, dass die tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten darf und auf bis zu zehn Stunden ohne weitere tarifliche Vereinbarung nur dann verlängert werden kann, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten bzw. 24 Wochen durch Ausgleich ein Durchschnitt von nicht mehr als acht Stunden erreicht wird (§ 3 Arbeitszeitgesetz). Es gibt jedoch schon jetzt Ausnahme-Regelungen für „außergewöhnliche Fälle“ in der Bundesgesetzgebung, in denen über diese Zeiten hinausgegangen werden kann. Hierunter könnte nach Auffassung der Ministerin möglicherweise die Durchführung von Volksfesten eingeordnet werden, da das Schaustellergewerbe eine extrem saisonbestimmte Branche sei, die keinerlei Arbeitsaufschub dulde. Die Ministerin sagte zu, die Landesarbeits- und Sozialminister auf diese besondere Situation der Saisonarbeit hinzuweisen und sie zu bitten, dies bei der Genehmigungspraxis der Länder zu berücksichtigen. Die Ministerin sagte auch zu, die Präsidien des Deutschen Städtetags, Deutschen Landkreistags und Städte- und Gemeindebundes in dieses Vorhaben einzubinden.
Dokumentationspflicht:
„Eine Mindestlohnpflicht bei der die geleisteten Arbeitsstunden nicht aufgezeichnet werden, geht ins Leere“, so die Ministerin. Sie machte allerdings deutlich, dass die Dokumentationspflicht für das Schaustellergewerbe bereits dann erfüllt sei, wenn die Anfangs- und Endzeit des Arbeitstages und die in diesem Zeitfenster insgesamt geleisteten Arbeitsstunden aufgeschrieben seien. Die Aufzeichnungspflicht kann durch die Mitarbeiter selbst erfüllt werden und muss spätestens sieben Tage nach erbrachter Arbeit erfolgen. Für den zukünftig kontrollierenden Zoll ist es nicht von Bedeutung, wann welche Pausen in welcher Länge konkret gemacht wurden. Bei häufiger Überschreitung der Regelarbeitszeit von über 8 Stunden täglich wird zu einem Arbeitszeitkonto geraten, über das z.B. an Stillliegertagen ein Ausgleich durch Freizeit geschafft werden kann.
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz:
Die Dokumentationspflicht resultiert aus der Verknüpfung des Mindestlohngesetzes mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Hier sind neun Branchen als für Schwarzarbeit gefährdet aufgeführt, so z. B. das Baugewerbe, die Gebäudereinigung, die Landwirtschaft und das Schaustellergewerbe. Das Präsidium des DSB konnte verdeutlichen, dass durch das deutlich erleichterte Anmeldeverfahren der Arbeitnehmer sich die Situation erheblich entspannt habe und Fälle von Schwarzarbeit seit Jahren nicht mehr aufgetreten sind. Berufsverband und Ministerium werden sich nun gemeinsam für eine Herauslösung des Schaustellergewerbes aus dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz einsetzen. Damit entfiele zukünftig auch die zusätzliche Dokumentationspflicht. Dieser Prozess wird allerdings viel Zeit in Anspruch nehmen.
Die Referenten der Bundesarbeitsministerin sagten den Schaustellervertretern zu, dass sie alles tun werden, um den Schaustellern mehr Rechtssicherheit im Umgang mit dem neuen Gesetz zu geben. Niemand solle über Gebühr beansprucht werden. Das Ministerium könne z. B. in Zusammenarbeit mit der Hauptgeschäftsstelle des DSB Informationsblätter und auch Arbeitsverträge als Muster entwerfen, diese auch in andere Sprachen übersetzen, um so möglichst viel Vereinfachung für die Saisonarbeitskräfte auch aus anderen EU-Staaten zu schaffen.
Zum Abschluss des in sehr konstruktiver Atmosphäre geführten Gesprächs, führte die Ministerin aus: „Die Volksfeste Deutschlands liegen mir persönlich am Herzen und die speziellen Herausforderungen der Schaustellerbranche, die diese Feste möglich machen, sind mir in den vergangenen Wochen sehr deutlich vor Augen geführt worden – wir werden für alles Lösungen finden, kein Karussell soll stehen bleiben“.
Vollständiger Text auf der Website des Schaustellerverbandes:
http://www.dsbev.de/meldungen/meldungen ... Bcat%5D=1&