Fünf Fragen an Ding Yulei
«Ich habe die Nase voll vom chinesischen ‹Zirkussystem›»
Ab Dienstag sind am Theaterspektakel die «Short Pieces» zu sehen. Dazu gehört das Stück von Ding Yulei. Er erzählt von der Zeit als Top-Akrobat in Schanghai und erklärt, warum diese schlimm war.
Ding Yulei, Sie wurden in Schanghai ab Ihrem 7. Lebensjahr in Kunstturnen unterrichtet und fanden mit 14 Jahren Aufnahme in der renommierten Shanghai Circus Troupe. Nun sind Sie 34 Jahre alt und als Top-Zirkusartist im «Ruhestand». Warum sind Akrobaten im besten Alter in China weg vom Fenster?
Mit 30 Jahren schwindet der Mut zum Risiko, mit 20 ist man viel waghalsiger. Unter Zirkusartisten herrscht in China ein harter Wettbewerb, Jüngere sind erfolgreicher. 30-Jährige werden oft zurückgestuft und müssen eine andere Aufgabe in der Manege übernehmen, für die es weniger Lohn gibt.
Warum haben Sie Ihre Karriere schon mit 20 Jahren abgebrochen?
Einerseits war da die Angst, nach dem Höhepunkt meiner Karriere gefeuert zu werden. Und andererseits hatte ich die Nase voll von diesem «Zirkussystem».
Was störte Sie an dem «Zirkussystem»?
Als Schleuderbrett-Akrobat sah meine Aufgabe während all der Jahre so aus: sich fünf Meter in die Höhe katapultieren, einen dreifachen Salto mit zweifacher Schraube drehen, im Nu landen und stolz lächeln. Das war eintönig. Weil in China das Konzept «starker Körper, schwacher Geist» verbreitet ist, traut man uns Artisten nicht zu, selber zu denken, geschweige denn mitzubestimmen.
Wussten Sie, worauf Sie sich einliessen?
Nein, ich hatte meinen Beruf nicht selbst gewählt. Meine Eltern beschlossen, dass ich Akrobat werden solle. Sie glaubten, meine Zukunft sei so gesichert. Stets hatten andere über mein Leben entschieden, nun wollte ich es selber in die Hand nehmen, wollte beweisen, dass ich geistig genauso gut arbeiten kann.
Sie wurden von Kindesbeinen an gedrillt.
Ja. Angehende Kunstturner und Akrobaten müssen in China ein Internat besuchen. Das Essen dort ist spärlich. Ihre Eltern sehen sie nur einmal monatlich. Immer wieder hatte ich nach dem Training geschwollene Beine, so dass ich kaum mehr Treppen steigen konnte. Sowieso begleitete mich stets die Angst, mich zu verletzen. Das war schlimm.
Mehr unter:
https://www.nzz.ch/feuilleton/fuenf-fra ... ld.1312960