Zirkus-Direktor Bernhard Paul
Köln und der Klüngel: Das ist ewig gestrig
EXPRESS: Herr Paul, Warum haben Sie Ihren Circus Roncalli neu erfunden?
Das war die größte Kurs-Korrektur, die es in unserer Geschichte je gegeben hat. Was ich wollte, war, den Circus neu erfinden, aber Roncalli bleiben. Es gibt jetzt Begriffe wie tierfrei, vegetarisch, plastikfrei. Alles total zeitgemäß, nicht gestrig sondern heutig und trotzdem gibt’s Clowns und Poesie und Zuckerwatte und Seifenblasen. Hätte ich das nicht gemacht, ging’s mir bald wie den vielen Zirkussen, die verschwunden sind.
War es schwer loszulassen?
Es ist nix dabei, was mir unangenehm ist. Das einzige, was ich schade finde: Dass keine Pferde mehr da sind. Nur noch indirekt – als Hologramm. Aber man kann nicht am Neumarkt Pferde stehen haben, wo alle zwei Minuten die Straßenbahnen vorbei rattern und alleweil die Ambulanz. Wenn man die Tiere liebt, geht das nicht.
Und es gibt Tierschutzgesetze, an die man sich halten muss....
Das macht zum Beispiel der Zirkus Krone, der macht sogar viel, viel mehr als der Tierschutz verlangt. Trotzdem stehen die Tierschützer vorm Zelt und brüllen Tierquäler, Tierquäler. Dazu gibt’s die Populisten unter den Politikern, die sagen, gut, dann erlauben wir keine Tiere mehr im Zirkus. Ich habe nicht zuletzt deshalb auf die paar Ponys, die wir noch hatten, verzichtet, weil ich jetzt das Maul aufreißen kann. Dass ich sagen kann, was ich denke.
Sie haben die Tierrechtsorganisation „Peta“ als „Arschlochverein“ bezeichnet...
Habe ich. Und ich steh dazu. Hinterher kam ein dickes Schreiben vom Rechtsanwalt. Drin stand, was ich alles nicht sagen darf, was ich widerrufen muss und so weiter und so weiter. Ich hab gedacht: Super! Weil ich weiß wahnsinnig viel über Peta. Und ich hab gehofft, es kommt zum Prozess und gedacht: Da leg ich mal alles auf den Tisch, was die wirklich machen. Ich hab gewartet und gewartet und gewartet. Aber die haben nix gemacht. Nur als Abschreckung den Brief.
Wird es in den klassischen Zirkussen mit Tieren denn bald gar nicht mehr geben?
Ich argumentiere bei solchen Sachen immer sehr vorsichtig, will auch keine Kollegenschelte betreiben. Aber die Zukunft des Zirkus’ kann nicht die Arche Noah sein. Zirkus und Entertainment hat sich immer danach zu richten, was die Leute sehen wollen. Und heute sind das sicher nicht mehr Kamele, die zehn Minuten durch die Manege laufen.
Und wie sieht dann der Zirkus 2025 aus?
Es muss ein paar Tugenden geben, die beibehalten werden: Zirkus ist Gefühl. Es muss Überraschungen geben, keine Monotonie. Dazu die Ästhetik und bis zu einem gewissen Grad auch die Erotik. Es gibt sie schon, die Gewürze, aus denen der Zirkus besteht. Das muss man mit dem Zeitgeist uns technischen Neuerungen verweben. Zirkus funktioniert nur, wenn er zeitgemäß ist. Das war gestern so, und wird morgen so sein. Als die Glühbirne erfunden wurde, war Sarasani der erste Zirkus, der Glühbirnen an der Fassade hatte. Und die Eltern mussten in der Nacht ihre Kinder abpflücken, weil die so fasziniert waren. Also der Zirkus muss sehr wohl zeitgemäß sein, Neuerungen einbeziehen. Viele machen es nur nicht.
Wie lange wollen Sie selbst denn noch weitermachen?
Bis es in die Kiste geht. Ich kann doch nicht irgendwo auf der grünen Wiese sitzen und nix tun. Da würde ich ja verrückt. Es ist doch so: Es macht unheimlich viel Spaß. Außerdem hab ich mit dem Circus ein Produkt, über das sich die Leute freuen, was Positives. Das ist ja keine Last, das ist ja eher wie in einer großen Familie, in der man gern zusammen ist. Ich hab ja gar kein Recht auf Urlaub und auf Pension. Ich bin doch viel zu reich beschenkt, weil ich liebe, was wir machen und weil ich es auch weiter machen darf.
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