Don Oscarez und seine "Todeskugel"

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Rebecca E.
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Don Oscarez und seine "Todeskugel"

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Bis heute einmalig

In einer Stahlkugel mit nur einem Meter Durchmesser rollte er über 40 Jahre lang mit 75 km/h über eine Loopingbahn - Don Oscarez' Todeskugel-Nummer ist bis heute einzigartig. Der 83-Jährige hat einen Traum: Er möchte, dass sein Leben verfilmt wird. Deshalb habe ich eine kleine Zusammenfassung seiner Geschichte aufgeschrieben ...


Behutsam öffnet er das alte schwere Tor. Drinnen ist es dunkel. Als die Leuchtstoffröhre das Innere der Garage in grelles Licht taucht, kommen Spinnweben zum Vorschein. Aber auch eine Menge Metall, das Lebenswerk von Don Oscarez.

Der 83-Jährige hat die Garage in einem Dortmunder Hinterhof schon länger nicht betreten und das Funkeln in seinen Augen verrät, dass er noch immer Großes mit all dem Metall vorhat. Auch wenn die Kugel schon so lange nicht mehr rollt und mit den Jahren ein wenig Rost angesetzt hat …

Auf sein Gewicht hat der kleine, drahtige Mann schon immer geachtet, würde heute noch in die stählerne Kugel mit einem Meter Durchmesser hineinpassen. Sie hat ein Einstiegsloch, in ihrem Innern ist ein Sitz angebracht. Und wenn er sich hineingezwängt hatte, wurde der Deckel geschlossen. Dunkelheit, klopfendes Herz, Ausgeliefertsein. Doch er ist ja Profi. Über 40 Jahre lang ließ der gebürtige Tscheche den Atem zehntausender Zuschauer stocken, wenn er mit seiner „Todeskugel“ über die 28 Meter lange Loopingbahn schoss.

Alles begann 1942 im Nachbarort seiner Heimatstadt Ćeský Téśin. Damals trug Don Oscarez noch einen anderen Namen, der hier aber nichts zur Sache tut. Gebannt sitzt der 14-Jährige im Kinosessel. Auf der Leinwand rast Schauspieler Albrecht Schönhals in einer Glaskugel einen meterhohe Bahn hinunter, überschlägt sich, fliegt sekundenlang durch die Luft – und landet schließlich sicher. Die Massen jubeln.

Der UFA-Film „Die gläserne Kugel“ lässt den Jungen nicht mehr los, bald steht für ihn fest: Er will Artist werden, reisen, berühmt sein und Applaus ernten. Und er wünscht sich nichts sehnlicher, als die Nummer, die im Film nur mit einem Trick realisiert werden konnte, Wirklichkeit werden zu lassen! Aber würde ein Mensch eine solche Abfahrt überstehen? Und wie konnte man die Bahn mit dem Looping bauen?

Doch statt als Artist durch die Welt zu tingeln, lernt Don Oscarez zunächst einen ordentlichen Beruf. Schon als Neunjähriger hatte ihm ein Nachbar gezeigt, wie man einen Detektorempfänger baut: aus einem Kopfhörer, einem Spezialstein, einem Stück Draht, aus dem man eine Spule dreht und einem weiteren, das als Antenne dient. Er baut auch für seine Freunde Detektorempfänger. Und was lag da für ihn näher, als Radiomechaniker zu werden?

Es herrscht jedoch Krieg und der junge Lehrling macht sich auch Gedanken, wann er wohl zum Militär muss. Weil er sich nicht gern unterordnet, beschließt er, dass die Luftwaffe die beste Option für ihn wäre und meldet sich bei einem Segelflughafen in der Nähe an. Um zur Luftwaffe zu kommen, muss man einen Segelflugschein mit drei Prüfungen vorlegen. Er schafft die A- und B- sowie die halbe C-Prüfung – dann ist der Krieg zu Ende.

In dieser turbulenten Zeit des Umbruchs besucht er seine Schwester Susanne in Zarnglaff in Pommern. Am achten Tag hört er im Radio, dass sein Heimatdorf von den Russen eingenommen wurde – und bleibt kurzerhand bei der Schwester. Am 5. März 1945, als die russische Armee neun Kilometer vor dem pommerschen Dorf stand, fuhren die beiden mit einem großen Treck Richtung Ostküste und landeten schließlich in Norddeutschland.

Auf dem Weg von Ratzeburg nach Bad Oldesloe sieht der junge Tscheche zum ersten Mal in seinem Leben die Autobahn, die von Hamburg nach Lübeck führt und die Hitler bauen ließ, damit seine Soldaten die Ostsee schneller erreichen. Schließlich kommen sie in der Nähe von Bad Oldesloe bei einem Bauern unter.

Statt über die Autobahn, macht sich der 17-Jährige mit einem Fahrrad, das er sich aus fünf alten Schrotträdern zusammengebaut hat, auf den Weg nach Lübeck. Hin und zurück 54 Kilometer! Er will Arbeit suchen, am liebsten würde er zur See fahren – und bekommt einen Schock: Die Stadt liegt in Schutt und Asche. Später erfährt er, dass nur zwei Stunden gereicht haben, um eine derartige Zerstörung anzurichten. Er kann nur ein paar Brocken Deutsch, hat keine Papiere. Und dennoch findet er eine Stelle als Leichtmatrose. Doch um auf ein Schiff zu kommen, müsste er vier bis fünf Monate warten. Das dauert ihm viel zu lange. Und so läuft er unermüdlich von einem Radiogeschäft zum nächsten, und hat schließlich Glück: Bei Radio Reger kann er seine Lehre fortsetzen, für 80 Reichsmark Lohn im Monat.

Sechs Wochen später hängt die ausgebombte Stadt voller bunter Plakate: Der Zirkus „Gebrüder Belli“ ist in Lübeck! Da fällt dem jungen Träumer die Kugel aus dem Film wieder ein. Er musste da hin! Und so kauft er sich für 1,50 Reichsmark eine Stehplatzkarte und taucht ein in die wunderbare Welt der Akrobaten und Tiere – bis plötzlich das Mikrofon ausfällt. Den Zirkusleuten gelingt es einfach nicht, den Fehler zu beheben. Zange, Prüfgerät, Schraubenzieher – was für ein Glück, dass er immer alles in der Hosentasche bei sich trägt. Er bietet seine Hilfe an, schaut sich den Verstärker an und bemerkt, dass eine Röhre nicht brennt. Geschwind tauscht er sie aus. Damit ist die Vorstellung gerettet und er darf den Rest von der Loge aus verfolgen, als Belohnung gibt es 50 Reichsmark und freien Zutritt zum damals größten Zirkus Europas, solange der in Lübeck gastiert. Der Junge ist außer sich vor Freude, schnuppert von nun an drei-, viermal in der Woche Zirkusluft, besucht die Tiere und übernimmt bald kleine Aufgaben. Zwei Wochen später, als der Zirkus Belli weiterziehen muss, fragt ihn der Direktor, ob er als Elektriker mitreisen möchte. Was für eine Frage? Davon hatte er doch immer geträumt!

Schon bald repariert er nicht mehr nur Lautsprecher und Lampen, sondern hat auch erste eigene Auftritte in der Manege. Und der Gedanke an den Film „Die gläserne Kugel“ lässt ihn die ganze Zeit über nicht los! Aus seiner Erinnerung konstruiert der junge Mann ein Drahtmodell, kauft spielenden Kindern für ein paar Pfennige einige Murmeln ab und benutzt diese als Kugeln. Und die rollen über die Schiene. Es klappt! Jetzt kann er auch den Zirkusdirektor für seine Idee begeistern.

Im Winterquartier des Zirkus’ Belli in Lüneburg lernt er dessen Pressesprecher Gustav von Hanke kennen und zeigt auch ihm das Modell seiner Todesnummer. Hanke fährt mit ihm – und natürlich mit dem Modell im Gepäck – nach Hamburg zum Artistenschlosser Willi Garz. Doch der braucht die Zeichnung eines Ingenieurs. Diplom-Ingenieur Hermann Pohlmann, der Erfinder des Stukasbombers, der Ju 87 und Ju 88, konstruiert schließlich ein Drahtmodell im Maßstab 1:10 und eine 10 cm große Holzkugel. Der Plan nimmt langsam realistische Züge an. Doch woher soll er das Geld für den Bau nehmen, der (ohne Kugel!) mehr als 40.000 Reichsmark kosten soll? Für sein Akkordeon bekommt er 25.000 Reichsmark, den Rest will der Zirkus übernehmen. Er findet Geldgeber, Konstrukteure, Firmen, die an seine Idee glauben und das Material liefern. Insgesamt zwölf Unternehmen sind am Bau beteiligt, der sich über eineinhalb Jahre erstreckt. Gesamtkosten: über 300.000 Reichsmark!

Im Herbst 1948 rollt die Kugel zum ersten Mal: im Hamburger Park „Planten un Bloomen“, vor 35.000 Zuschauern. Sogar die Wochenschau berichtet! Ab Dezember ist das junge Talent dann in Essen beim Winter-Zirkus des Circus Willi Bügler mit von der Partie – und geht danach drei Jahre lang mit der Truppe auf Tournee. Ein Auftritt dauert achteinhalb Minuten, beim ersten Mal hat Don Oscarez ein mulmiges Gefühl. Er kann immer genau hören, an welcher Stelle der Bahn er sich gerade befindet, fragt sich, ob die Kugel gut läuft. Zuerst mit 75 Stundenkilometern aus zwölf Metern Höhe die steilen Bahn hinab, in den Looping, dann wieder ein Stück geradeaus. Zum Schluss fliegt die Kugel sieben Meter durch die Luft, landet schließlich im Auffangnetz. Bei der Premiere geht alles glatt. Als Don Oscarez noch ganz benommen aussteigt, tobt das Publikum und er fühlt sich wie der Filmheld seiner Kindertage. Sein großer Traum ist tatsächlich wahr geworden!

Von da an reist der neue Star mit verschiedenen Zirkussen durch die Lande und tritt auch immer wieder solo auf, 1968 etwa vor 300.000 Zuschauern im Dortmunder Westfalenpark. Er feiert große Erfolge, erlebt aber auch herbe Rückschläge: Bei seinen 3.551 Auftritten stürzt der Akrobat 49 Mal ab, landet 13 Mal im Krankenhaus. Einmal ist er sogar zwölf Stunden lang bewusstlos. Und nicht nur die Bruchlandungen schmerzen: 1972 trennt sich seine Frau Marianne von ihm – nach 20 Jahren. Sie war auch seine Assistentin, kann die Angst nicht mehr ertragen. Als die Saison zu Ende ist und das Ehepaar wieder zu Hause in Dortmund angekommen war, stellte sie ihn vor die Wahl: Ich oder die Kugel. Er entschied sich für die Kugel …

Nach 40 Jahren im Ruhrgebiet lebt Don Oscarez heute wieder in Bad Oldesloe. Und seit einigen Jahren spukt eine neue Idee durch seinen Kopf: Sein Leben als Film, das wäre sein Traum! Stoff genug bietet es: Seine Nummer ist bis heute einzigartig, keiner außer ihm wagte sich je in die Todeskugel. Für den Film möchte er die Kugel samt Gestell aus der Garage in Dortmund holen, wo sie seit fast 20 Jahren liegt, und alles neu verchromen lassen. Jetzt muss er nur noch einen Regisseur finden …
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Klaus
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Re: Don Oscarez und seine "Todeskugel"

Ungelesener Beitrag von Klaus »

Ich meine, das "Geheimnis der rollenden Kugel" hat nicht nur Don Oscarez gezeigt. Ich habe eine solche Kugel öfter gesehen, mit verschiedenen Artisten. "Geroku", der bis in die jüngere Vergangenheit mit einer solchen Darbietung gereist ist, surft ja selber hier in den Foren und schreibt ab und zu. Er sollte sich hier mal zu Wort melden!
Viele Grüße
Klaus
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Re: Don Oscarez und seine "Todeskugel"

Ungelesener Beitrag von Admin »

Hallo Klaus,

Geroku ist in diesem Forum kein Mitglied und die Nummer von Don Oscarez ist ganz anderer Art, als das was Geroku lange zeigte. Beide Nummern sind nicht vergleichbar.
Mit circensischen Grüßen

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Ingo Böckmann
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Re: Don Oscarez und seine "Todeskugel"

Ungelesener Beitrag von Ingo Böckmann »

Peter hat geschrieben: Beide Nummern sind nicht vergleichbar.
Das eine,wie richtig geschrieben
Peter hat geschrieben:das "Geheimnis der rollenden Kugel"
,das andere mehr ein "Stunt" . . . ;)
mit freundlichen Grüßen Ingo
Rebecca E.
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Re: Don Oscarez und seine "Todeskugel"

Ungelesener Beitrag von Rebecca E. »

Ja, Peter hat Recht, die Nummern sind nicht direkt vergleichbar. Die einzige Parallele ist, dass sich beide in eine ähnlich kleine Kugel zwängen. Aber Don Oscarez hat ja damals wirklich sein Leben aufs Spiel gesetzt und auch diverse schlimme Unfälle gehabt. Trotzdem finde ich auch Gerokus Nummer sehr interessant und kannte sie noch nicht.
Mich würde interessieren, ob jemand hier im Forum Don Oscarez mal live gesehen hat? Ich bin leider zu jung, sein letzter Auftritt ist ja schon weit über 20 Jahre her.
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