Darf ich mich in diesem Uralt-Thread das erste Mal hier zu Wort melden?
Ich bin relativ "neu" in der Welt des Zirkus. Obwohl ich schon als Kind alles gelesen habe, was ich dazu finden konnte (mein Opa war ein Zirkusfan, der die ganzen einschlägigen Bücher - angefangen von Sarasanis "Durch die Welt im Zirkuszelt" bis zur Krone-Chronologie im Bücherschrank hatte), ich war auch des öfteren im Zirkus und außerdem immer sehr an Tieren interessiert, aber irgendwie war der Zirkus für Jahre nicht in meiner Optik. Ich bin Pferdefrau und war lange Zeit so mit "meiner Szene" beschäftigt, dass da wenig Platz und Interesse für anderes blieb.
Doch ich habe eine Freundin (gleichzeitig auch eine PR-Klientin), die sehr eng mit Krone verbunden ist. Sie hat früher mal auf dem Kronegut Weßling gelebt und Pferde trainiert und ist heute die Trainerin von Jana Mandana und ihren Pferden. Und diese Freundin war's dann, die mich im Dezember letzten Jahres aufforderte, ich solle doch mal in Stuttgart in den Weihnachtscircus gehen. Da sei ein lieber Freund von ihr mit seiner Löwennummer zugange.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht gegangen bin. Ich hatte viel zu tun und außerdem - ich gestehe es errötend - war ich auch nicht sehr interessiert. Ich hatte nämlich als Kind Raubtiernummern immer langweilig gefunden - was vermutlich daran lag, dass ich schon damals mehr Ahnung von Pferden als von Raubtieren hatte. Pferde konnte ich immer irgendwie "einschätzen", während Raubtiere mir sehr fremd waren und ich das Gefühl hatte, nicht wirklich mitzukriegen, was in Raubtiernummern eigentlich abgeht. Blöd, aber wahr ...
Meine gute Freundin ist aber hartnäckig. Nachdem ihr Versuch, mich in Stuttgart zum Weihnachtscircus zu schicken, an meiner Ignoranz gescheitert war, hat sie mich einfach im Februar nochmal eingeladen. "Du weißt, ich bin im Winter jeden Mittwoch in München beim Zirkus Krone und arbeite da mit Jana und den Pferden. Komm doch mit - das ist für dich bestimmt sehr interessant!" Außerdem hat sie zusammen mit Krone eine Veranstaltung zum Thema "Klassische Dressur" in Planung, für die von unserer Seite aus auch Werbung und PR gemacht werden muss, also "musste" ich mehr oder weniger - und die Wirkung jenes Zirkusbesuches war umwerfend.
Ich hatte erstmal Gelegenheit, Jana im Morgentraining mit ihren Pferden zu erleben - und war tief beeindruckt, weil mir sehr schnell klar geworden ist, dass Jana nicht nur eine sehr gute, sehr gefühlvolle Reiterin ist, sondern mit einem ganz anderen Ansatz als "die Reiter" im allgemeinen an ihre Tiere herangeht. Ich komme ursprünglich aus dem Reitsport, habe auch einige Jahre als Journalistin intensiv Turnier auf internationaler Ebene gemacht und dabei so zu viel gekriegt, dass ich mich von dieser Szene total abgewandt habe. Aber so Dinge wie "Wenn das Pferd sich widersetzt, muss man sich halt durchsetzen!" und die bei Reitprofis extrem vertretene Abneigung gegen "Sentimentalitäten" hatte ich zumindest immer noch teilweise drauf. Und nun sah ich jemanden, der wunderschön auf ganz hohem Niveau reitet und dabei die Ansicht vertritt, dass man seinem Pferd jede schlechte Erfahrung ersparen und sich nie auf einen Kampf einlassen sollte; jemand, der quitschfidele, dabei aber eigentlich schon "alte" Pferde (im Sport gilt ein Pferd mit 16, 17 als "alt" und pensionsreif - wenn es überhaupt so lange auf gesunden Beinen im Sport ist. Janas Lipizzaner dagegen sind 23 und 22 und haben glasklare Beine) mit großer Ausstrahlung als Individuen und Freunde behandelt, der - aus der Sicht der Pferde - eigentlich nicht "arbeitet", sondern "spielt" und damit genau das vorführt, was ich bei Reitern sehen will: Harmonie und freudiges Miteinander.
Zudem bekam ich die erste Gelegenheit, hinter die Kulissen des Zirkus zu gucken. Jana nahm sich die Zeit, mich herumzuführen, ich bekam die Elefanten, das Nilperd, das Nashorn, ihre Exoten und Martins Löwen zu sehen, war mit ihr in den Pferdeställen (wo mich der blanke Neid packte. Ich bin selbst stolze, aber geplagte Besitzerin eines Schimmels, der ständig dreckig und im Winter kaum sauber zu kriegen ist. Und dann die Krone-Schimmel ... einer wie der andere silberweiß glänzend, kein Fleckchen im Fell!), erlebte lauter freundliche, extrem zugewandte Pferde, die alle auf ihren Namen hören (ohne Witz: Ich wette, dass 75 % aller Pferde in deutschen Reitställen nicht auf ihren Namen hören, weil sich nie einer die Mühe macht, ihnen das beizubringen und weil man sich generell zu wenig mit ihnen beschäftigt).
Ich war angefixt. Am nächsten Morgen habe ich einen befreundeten Chefredakteur angerufen und ihm so begeistert vorgeschwärmt, dass er mir sofort einen großen Bericht über Jana und ihre Pferde abgekauft hat (inzwischen erschienen: In der derzeit am Kiosk ausliegenden Ausgabe von "Pegasus"). Also hatte ich einen guten Grund, eine Woche später gleich wieder nach München zu fahren.
Und so ging's dann weiter. Ich habe meine Jana-Geschichte geschrieben, ich kam mit Martin Lacey in Kontakt und bekam von ihm seine Löwen vorgestellt (wobei ich gestehe, ein absoluter Feigling zu sein. Ich finde die Löwen wunderschön und faszinierend, aber ich hab' sie am liebsten, wenn zwischen ihnen und mir Gitterstäbe sind. Ich hab' nämlich einen Heidenrespekt vor den lieben Tieren) - und je mehr ich über sie lernte (ich habe dann natürlich erstmal alles gelesen, was mir zu dem Thema in die Finger kam), desto mehr war ich auch von der Nummer fasziniert, denn so langsam "verstehe" ich ja ein bisschen, was da passiert und wie er es seinen Tieren beigebracht hat. Außerdem bekommen die Lacey-Löwen langsam ein Gesicht für mich. Anfangs konnte ich gerade die beiden Herren - King Tonga und Kasanga - auseinander halten, inzwischen erkenne ich auch die beiden weißen Löwinnen und kann sie auseinanderhalten und ich denke, irgendwann werde ich mich darüber wundern, wie ich je denken konnte, dass alle braunen Löwinnen "gleich" aussehen (genauso wie ich mich heute darüber wundere, warum manche Leute Schimmel nicht unterscheiden können).
Was ich aber eigentlich erzählen wollte (der langen Rede kurzer Sinn): Bei meinem letzten Circusbesuch in Bad Dürkheim habe ich mich - mit Janas Erlaubnis - aus der Vorstellung abgesetzt und bin zum Stallgang gegangen. Und so bekam ich das halbe Programm "von hinten" mit -was ich fast noch spannender fand als von vorne. Ich habe zugeschaut, wie Janas Pferde für die Freiheitsdressur auf Warteposition gingen, wie sie bei jedem noch mal Gebiss und Zaumzeug prüfte und ein Leckerli reinschob; ich habe erlebt, wie die Elefanten aus der Manege kamen und gemächlich wieder in ihr Zelt stapften; ich habe mich über King Tonga amüsiert, der schon ungeduldig durch sein Gehege marschierte, weil er gebürstet und verladen werden wollte (andere Löwen gehen zu Fuß durch den Tunnel in die Manage. Doch seine Majestät wird mit dem Spezial-Tonga-Mobil vom Gehege zur Manage gefahren) - und irgendwo fand ich hinter den Kulissen Zirkus noch viel faszinierender und "faßbarer" als in der Vorstellung.
Ich fühle mich richtig "privilegiert", dass ich das so erleben darf, dass ich bei Proben zugucken und die Zirkusleute mit Fragen löchern darf; ich bin erstaunt, wie offen man mir begegnet und ich habe unendlich viel Freude daran, für Martin zu arbeiten.
Und ich glaube, wenn ich am übernächsten Wochenende in Gronau bei Krone aufschlagen werde, werde ich mir die Vorstellung wieder von "hinten" angucken.
Sibylle Luise
"So - und jetzt hoffe ich, nicht schon beim ersten Auftritt hier alle irre gelangweilt zu haben."