Die 13-Meter-Manege – ein überholter Standard?

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Klaus
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Die 13-Meter-Manege – ein überholter Standard?

Ungelesener Beitrag von Klaus » 23.07.2007, 17:04

In ihrem sehr lesenswerten "Circus-Lexikon" stellen die Autoren Karin Schulz und Holger Ehlert fest, in der Regel habe die Manege einen Durchmesser von 13 Metern. Genauso haben es auch Kober, Kusnezow und andere maßgebliche Circus-Historiker beschrieben. Sehen wir uns aber um in der Circuswelt von heute, dann kommen wir zu anderen Resultaten (mal abgesehen von der Rennbahn-Manege, die es natürlich auch immer gab).

Wir finden die klassische 13-Meter-Manege nur bei ganz wenigen Großen. Natürlich bei Krone, bei Barum. Bei Probst (Ost) misst die Manege 12 Meter, entspricht also auch noch der klassischen Norm. Knie in der Schweiz hat 13 Meter, ebenso der Weihnachtscircus von Stuttgart, der sich an Knie orientiert. Das gleiche gilt für Monte Carlo. Louis Knie sen. in Österreich hat eine 12-Meter-Manege, wie er mir mal sagte (auch fast das klassische Maß).

Für die zahlreichen großen Unternehmen vor 50 Jahren war eine solche 13-Meter-Manege (der Durchmesser lag bisweilen leicht darunter bei 12 Meter oder 11.50 Meter) so gut wie selbstverständlich. Beim "richtigen" Sarrasani vor dem Kriege soll die Manege sogar 17 Meter im Durchmesser umfasst haben. Sacha Houcke jun. erzählte mir, dass die Manege in der Deutschlandhalle für MTS etwas mehr als 13 Meter hatte. Die Pferde hätten es gemerkt.

Die 13-Meter-Manege resultiert, wie man weiß, aus der Zeit des klassischen Pferdecircus und verdankt sich der Reiterei. Das Stehen auf galoppierendem Pferde erfährt bei einem 13-Meter-Durchmesser für die Balance den idealen Neigungswinkel, was aber heute keine Rolle mehr spielen dürfte, da es die Reiterakrobatik kaum noch gibt. Hat die 13-Meter-Manege noch andere Vorteile?

Fachleute sagten mir, dass sich mit Tieren, insbesondere mit Pferden, in einer großen Manege besser arbeiten lässt. Einleuchtend ist dies vor allem für größere Freiheitsgruppen: 12er, 16er, 24er-Züge sind in einer 13-Meter-Manege wohl überhaupt nur möglich. Doch auch Darbietungen mit Raubtieren, Exoten, Elefanten lassen sich in einer großen Manege im allgemeinen wirkungsvoller präsentieren. Nachdem ich René Strickler mit seinen Raubtieren wiederholt bei Roncalli erlebt hatte, sah ich ihn bei Knie in der Schweiz. Erst hier konnte er, so schien es mir, seine Vorführung richtig "ausarbeiten". Auf der großen Fläche wirkten alle Abläufe viel schöner und gelöster. Nicht anders bei größeren Artistentruppen: sie brauchen die große Manege, ebenso das Flugtrapez.

Heute präsentieren Komödianten vielfach Friesen-Pferde in einer für diese großen Tiere zu kleinen Manege. Die Pferde laufen einen engen Kreis, was der Darbietung die Wirkung nimmt. Denken wir hingegen an die Barum-Manege: welch furioser Eindruck, wenn als Krönung der großen "Freiheit" einige "Dacapos" hereingeprescht kommen und als Steiger hinaustänzeln...

Für Komödianten macht eine 13-Meter-Manege natürlich wenig Sinn, zumal Chapiteau und Manege hinsichtlich ihrer Größe ja korrelieren. Kleinere Darbietungen füllen eine große Manege nicht aus. Kommt hinzu, dass sich Stimmungen viel besser in einem kleinen Chapiteau (mit kleiner Manege) erzeugen lassen. Für den großen Circus klassischen Stils, wie er von einigen wenigen noch verkörpert wird, bleibt die 13-Meter-Manege hingegen Ehrensache und Verpflichtung. Erst in einer solchen Manege, so meine ich, kommen Tiernummern hinsichtlich Bewegung und Ästhetik zu ihrer vollen Geltung.
Viele Grüße
Klaus
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Matthias H.
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Re: Die 13-Meter-Manege – ein überholter Standard?

Ungelesener Beitrag von Matthias H. » 27.07.2007, 16:31

Die 13m Manege resultiert nicht ursprünglich aus dem Pferdecircus. Longiert man ein Pferd ergibt sich aus dem Durchmesser des beschriebenen Kreises eben diese 13m. Da der Ursprung des Circus bei den Reitergesellschaften liegt wurde dieses Maß einfach übernommen. Hinweise auf eben dieses Maß gibt es in der Literatur der klassischen Reiterei aber schon wesentlich früher (de la Gurieniere, Xenophon).
Arbeiten Pferdenummern im Circus ist dieses Maß einen Minimum einfach um Gelenke und Sehnen der Pferde nicht zu sehr zu beanspruchen. Ohne Pferde, bzw Tiernummern mit ähnlich großen Tieren, ist es nicht unbedingt zwingend erforderlich sich an diesem Maß zu orientieren. Dies hängt wie schon erwähnt sicherlich von der Größe des Circus, bzw vom gezeigten Programm ab.
Übrigens sind auch heute im guten Fachhandel nur Longen erhältlich, die beim Longieren einen Durchmesser von ca. 13m ergeben(über ein paar cm will ich hier nicht diskutieren).
Wer mit dem Feuer spielt, muss bereit sein sich zu verbrennen !!!

http://www.circusevents-partyponies.de
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Re: Die 13-Meter-Manege – ein überholter Standard?

Ungelesener Beitrag von martin » 28.07.2007, 02:47

Wenn man Pferde zeigt, ist dieses Mass angeblich optimal. Ich bin kein Pferdekenner, werde aber mal einen Freund fragen, der ein profunder Kenner ist. Für den Circus von heute, in dem große Gruppendarbietungen inzwischen eher selten gezeigt werden, ist das Mass sicherlich überholt.

Geschichtlich interessant ist in diesem Zusammenhang die "Herangehensweise" an Größe zwischen den Großen Sarrassani und Krone. Sarrassani, der die 17 m Manege gewählt (und immer bei einer geblieben ist) und Krone, der die 13,3 m beibehalten, aber 3-Manegencircus gezeigt hat.

Ich persönlich empfinde die große Manege wesentlich anspruchsvoller, ich hätte Angst davor, während die 3 Manegen einfacher zu handeln und auch kommerziell deutlich besser zu verkaufen sind.
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Marco
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Re: Die 13-Meter-Manege – ein überholter Standard?

Ungelesener Beitrag von Marco » 31.07.2007, 02:38

Hier in den USA bei Ringling, der ja bekanntlich nur in Sporthallen gastiert, geht man seit geraumer Zeit neue Wege. Anstatt den taditionellen 3 Manegen wird nun der komplette Hallengrund genutzt. Dies gibt mehr Raum fuer die klassischen Begruessungs-und Finalumzuege, ermoeglicht aber auch neue spektakulaere Nummern wie BMX Stunts und Elefantenpyramiden. Nur fuer die "klassischen" Nummern wie Freiheits-und Zebradressur werden 3 aufblasbare Manegen ausgerollt, aufgeblasen und nach der Nummer wieder eingerollt. Hier zeigt sich dass, trotz allen Erneuerungen und Entwicklungen die der Circus in den letzten Jahrzehnten durchmachte, das historische 13 m Manegenrund fuer Pferdedressuren noch immer unerlaesslich ist. Die aufblasbare Manege ist wirklich ein sehr innovatives Konzept, doch leider fuer traditionelle Zeltgastspiele ,wie in Deutschland ueblich, eher ungeeignet. Mein erstes Hallengastspiel verliess ich mit gemischten Gefuehlen. Auf der einen Seite birgt eine Hallentournee sicher ungemein viele Vorteile (Aufbau, Sicherheit, Wetterunabhaengigkeit, etc.) aber leider verliert sich der zirkuseigene Charme eines Chapiteaus und der Circus wird zur Produktion degradiert.
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Re: Die 13-Meter-Manege – ein überholter Standard?

Ungelesener Beitrag von Ingo Böckmann » 31.07.2007, 09:39

Hallo!
Aufblasbare Manege? :o so etwas können sich nur die Amerikaner ausdenken. . . ;)
So etwas kann ich mir hier zu Lande überhaupt nicht vorstellen. . . Funktioniert so etwas überhaupt?Ich meine,eine Manege hat ja noch andere Funktionen als nur den Spielraum vorzugeben.
Von den modernen Artistikproduktionen abgesehen,sind traditionelle Manegen für mich ein Muß. . .
Da hat Marco schon recht,daß die ganze Atmosphär darunter leidet. . .Wenn ich auch nicht der große Pferdefan bin,so sehe ich es doch immer gerne,wenn die Tiere in Nebelschwaden in die Manege gelassen werden,und das ganze von dezenter ,in die Manege integrierte Beleuchtung, in Szene gesetzt wird. . .
Oder können diese aufblasbaren Manegen auch beleuchtet werden?
mit freundlichen Grüßen Ingo
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Klaus
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Re: Die 13-Meter-Manege – ein überholter Standard?

Ungelesener Beitrag von Klaus » 31.07.2007, 11:44

Diese aufblasbaren Manegen sind auch bei uns üblich. Allerdings nicht für die Vorstellung im Chapiteau, sondern als Probenmanege in der Tierschau. Geht doch mal aufmerksam durch die Tierschau im Circus Krone, falls der Platz ausreichend ist, werdet Ihr dort eine solche aufblasbare Manege finden, zum Proben und Ablaufen der Pferde.
Viele Grüße
Klaus
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Marco
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Re: Die 13-Meter-Manege – ein überholter Standard?

Ungelesener Beitrag von Marco » 31.07.2007, 15:20

Die Probemanege bei Krone ist mir auch bekannt. Was ich aber wirklich interessant fand ist die Nutzung der aufblasbaren Manege im Programm und der rasend schnelle Auf- und Abbau wahrend der Vorstellung. Auch wurde der Zentralkaefig wahrend der laufenden Vorstellung auf- und abgebaut und nicht etwa zur Pause oder zu Beginn der Vorstellung. Waehrend sich das Publikum auf eine temporeiche Hochseilnummer konzentrierte wurde in der Mitte der Halle der Kaefig aufgestellt und die Tiger in Transportkaefigen hereingefahren. Als nun das Licht wieder anging stand ploetzlich ein Kaefig mit Tigern in der Mitte. Dies ging jetzt ein wenig am Thema vorbei, fand ich aber trotzdem ganz erwaehnenswert.
Alexander Schoch
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Re: Die 13-Meter-Manege – ein überholter Standard?

Ungelesener Beitrag von Alexander Schoch » 27.11.2008, 09:30

Zitat:
"Geschichtlich interessant ist in diesem Zusammenhang die "Herangehensweise" an Größe zwischen den Großen Sarrassani und Krone. Sarrassani, der die 17 m Manege gewählt (und immer bei einer geblieben ist) und Krone, der die 13,3 m beibehalten, aber 3-Manegencircus gezeigt hat."

Carl Krone benutzte zwischen 1934 bis 1943 ebenfalls eine 17 Meter Manege. Worin hätten die Tiermassen aus dem Rennbahngeschäft, siehe Elefanten, Platz gefungen. Krone setzte wie Sarrasani auf große Truppen und "Tierherden". Einziger Ausweg, größere Manegen.
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