Erinnerungen an das Jahr 1971

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Erinnerungen an das Jahr 1971

Ungelesener Beitrag von Admin » 05.07.2007, 20:48

Abstieg und Aufstieg
Erinnerungen an das Jahr 1971

Wisst ihr was das Postbüro beim Circus Barum-Safari 1971 war ?
Adressenschreiben, Adressenschreiben, Adressenschr........, kuvertieren, kuvertieren, kuv........., verschicken von tausenden von Werbebriefen mit Gutscheinen jeden Tag, wochenlang. Einzige Abwechslung war der Auf- und Abbau des Restaurationszeltes, bei dem auch das Büroteam mit anpacken musste. So schaffte ich mit Volker Reinke und anderen an verschiedenen Fronten. Für diesen Job liess ich mich von Wolfgang Paschke anheuern und gab dafür eine gesicherte Stelle beim Staat auf. Wie ernüchternd war dieses Abenteuer und so war es die willkommene Gelegenheit als Raubtierkutscher dieser gleichförmigen Hölle zu entrinnen. So erlebte ich neben dem systematischen Aufstieg des Circus Barum, auch sehr hautnah den Abstieg von Gerd Siemoneits gemischter Raubtiergruppe, mit der er in der Circusbranche international berühmt wurde. Begonnen hatte die Verkleinerung der Tiergruppe schon vor meiner Zeit. Doch auf dem engen Platz der Kiesgrube von Lindenberg im Allgäu, nach einem hektischen schwülen Aufbautag passierte das Unglück. Der Kutscher Fritz war nur einen Moment unkonzentriert und der Löwe Pascha drückte einen Holzschieber auf und stürzte auf das letzte Puma dieser Gruppe. Ein Prankenschlag und ein Biß des Löwen machten dem Puma ein schnelles Ende. Der schnell herbeigerufene Tierarzt konnte nur noch den Tod feststellen. An diesem Abend gab es im Raubtiercircus Barum-Safari keine Raubtiere zu sehen. Der Kutscher Fritz wurde mit Vorwürfen eingedeckt und Siemoneit trauerte um eines seiner Lieblingstiere.

Nur wenige Tage später in Überlingen am Bodensee, nach ebenso hektischen wie schwülen Wetter kam es im total ausverkauften Circus zu einem weiteren Unfall.
Eine Mutter schickte beim Hereinlassen der Raubtiere ihr Kind zu den lieben Löwen (zu „Claerence“ - wie der schielende Löwe im Fernsehen hiess) und das Kind griff bevor wir es verhindern konnten nach Onyx, dem schwarzen Panther, der gerade im Lauftunnel auf seinen Einsatz wartete. Dieser packte das Kind durch das Gitter und hielt mit den Pranken den Kopf fest. Ich versuchte Onyx abzulenken, indem ich in am Schwanz zog und diesen verdrehte. Umsonst! Erst nachdem Gerd Siemoneit mit einem Stock stark auf Onyx einprügelte, liess dieser sein Opfer los. Ein Sanitäter trug das blutüberströmte Kind davon. Nachdem Gerd Siemoneit wieder im Sattelgang war, sagte er nur „Mein Gott, der hat es aber fest gepackt!“ und sah mich einen Moment wie einen Freund an, mit dem er die Hölle durchstanden hatte. Kurze Zeit später hatte er die Fassung wieder und führte die Raubtiernummer scheinbar gelassen souverän vor, nur auf den Panthersprung in seine Arme verzichtete er und dies nun für einige Wochen. Onyx hatte Blut geleckt und musste sich erst wieder beruhigen. Dem Kind wurde das Gesicht aufgerissen, ein tragisch trauriger Unfall. Doch die meisten Zuschauer merkten nichts und eine kleine Pressenotiz am Tag darauf in der Zeitung war nicht spektakulär genug um das Publikum zu verschrecken. Es wurde eher angelockt und das ganze Gastspiel war ein Riesenerfolg. Nach meiner Zeugenvernehmung durch einen Polizeibeamten habe ich von dieser Sache nichts mehr gehört.
Die Gemischte Gruppe von Gerd Siemoneit mit den Leoparden Onxy und Alpha, den Tigern Cora und Mara und den Löwen Prinz und Pascha arbeitete noch einige Jahre im Programm, souverän und elegant präsentiert vom Meisterdompteur. Ein edler Rest einer glanzvollen Dressur, die am strapaziösen Aufbau eines nun fast beispielhaften Circusunternehmens zerfiel. Ein hoher Preis! Doch die Treue zu seinen Tieren, die ihn berühmt gemacht hatten, blieb bis zu deren Ende erhalten, Da sassen sie nun, alt aber zufrieden in der Tierschau und nahmen am Rhythmus des Circus weiterhin stillen Anteil. Immer wenn ich in die Tierschau kam und diese Tiere sah, dachte ich an ein Stück bedeutsamer Circusgeschichte, an der ich für einen kleinen Zeitabschnitt Anteil hatte.

Geschrieben ca. 1980 / Editiert 2006
P.B.
Mit circensischen Grüßen

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Re: Erinnerungen an das Jahr 1971

Ungelesener Beitrag von Admin » 31.03.2011, 12:29

Gerade wieder zufällig gefunden:


Mir sind 1971 beim Circus Barum-Safari mal zwei grosse Rhesusaffen ausgekommen und liefen frei über den Platz. Alle Helfer und Gerd Siemoneit hinterher. Damals war auch Gusti Holzmüller mit ihren Ponys mit reitenden Affen dabei und ihre Affen hatten alle Schnapsnamen. Am Geschrei auf dem Platz dachte "Tante Gusti" ihre Affen seien ausgekommen und so stürmte sie im Nachtrock mit Lockenwicklern auf dem Kopf aus ihrem Wagen laut Cognac, Wiskey,. Cherry, ... rufend. :mrgreen:
Zum Glück flüchteten die Affen in den Elefantenstall von Franz Brumbach. Dort warf Gerd Siemoneit eine Lederjacke auf das Männchen und packte diesen mit diesem Schutz an beiden Armen, drückte diese nach hinten und konnte so diesen in eine sichere Kiste setzen. Das Weibchen ebenso, welches nicht ganz so beisswütig war.
Ohh, war da Gerd Siemoneit stinkig auf mich, drohte mich heimzuschicken. Aber seine damalige Frau Inge beruhigte mich, dass bei ihrem Mann dies am nächsten Tag verraucht sei und so war es dann glücklicherwise auch.
Da ich 1970 beim Circus Frankello von einem Pavian gebissen wurde, hatte ich damals Angst vor Affen und wollte auch nicht in Käfig zum Saubermachen hinein. Aber der andere ältere Kutscher nötigte mich dazu und unsicher wie ich war, passte ich nicht auf und schon waren diese beiden Affen draussen. :roll:

Ja, mit Tieren kann man was erleben !
Mit circensischen Grüßen

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Re: Erinnerungen an das Jahr 1971

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 01.09.2016, 12:19

Titelblatt des Programms von 1971 :D
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