Texte von Monika Kaiser-Golgojew

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Texte von Monika Kaiser-Golgojew

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 16.07.2007, 23:00

Artisten

Da wandert Ihr unruhigen Geistern gleich
von Stadt zu Stadt und bringt Freude und Spiel,
Entspannung und Nostalgie.

Selbst ohne Rast strahlt strahlt Ihr Vollkommenheit aus.
Lächeln und Harmonie verschenkend denen,
die Eure Kunst bestaunen und ergötzend genießen.

Dennoch, Ihr lebt so hart wie kaum einer von uns,
ohne Kompromisse sich fügend dem eigenen Befehl.
Was ist an Euch? Ihr Fahrenden, Ihr Artisten?
Was maßt Ihr Euch an, besser zu sein als wir?

Oh nein, keiner ist besser, nur anders!
Ehrlicher, härter, dem wahren Leben näher.
Mehr verbunden mit Gott und Tod,
die wir mehr Wissen als Ihr in uns tragen.
Doch, auch wir haben Fragen!
Aber ein Lächeln mit Schminke und Licht
verdeckt unsere Probleme für Euer Gesicht.
Uns ist es immer innere Pflicht, zu lächeln,
zu riskieren und anders zu leben,
als der graue Alltag es Euch befiehlt.

Des Artisten Zuhause ist kein Haus.
Egal, wieviel er erspart,
es treibt ihn lebenslänglich hinaus
in die Fremde und sei’s noch so hart.

Und hat er ein Haus, das er sich erspart,
so lebt er dort nur um zu warten,
zu warten auf den neuen Vertrag -
auch wenn Blumen blühen im Garten.

Baut mir nur ein Zelt über dem Kopf
und die Manege schön rund!
Dann bin ich, obwohl der ärmste Tropf,
stets glücklich, reich und gesund.

Ich brauch’ den Applaus, um mich aufzurichten
in meinem schweren Beruf,
Euch vom Circus zu berichten,
so wie Astley ihn für uns schuf.

Laßt den Circus bitte nur nicht sterben!
Ihr seid doch so für Nostalgie
Circus bringt niemanden Verderben,
Circus ist Wahrheit und Harmonie!


Monika Kaiser-Golgojew
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Re: Texte von Monika Kaiser-Golgojew

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 16.07.2007, 23:00

Aus dem Tagebuch 1984:

Aufbruch

Der letzte Tag begann mit Einkaufen, Wir waren gewarnt vor den Preisen in Norwegen und deckten uns ein, so weit nur möglich. Das letzte Bluttestergebnis für das Pferd kam noch am Mittag. Dann wurden die Tiere eingeladen, die Stallungen ausgefegt und die Wände noch geweißt, daß bei der Rückkehr aller wieder neu zum Einzug ist. Einer der alten Hunde biß sich mit einem der Jungtiere. Auch das mußte noch mit drei Stichen genäht werden. Der Schmied, er hatte am Vortag die Pferde alle neu beschlagen, mußte nochmal zu dem Pferd Sultan kommen, der mit seinen 28 Jahren unser Stallältester ist. Sein Huf war warm geworden. Das Eisen mußte umgeschlagen werden. Dann hieß es alle Wagen zusammenstellen, die Reifen nochmals prüfen und prompt einen Platten beheben. Und dann, als die Sonne in einem rosa Himmelmeer untergeht hinter den frühlingswachen Bäumen und den wundervoll Erde ausatmenden Feldern, fahren wir los. Die nicht mehr zu bremsende Unruhe in uns drängt zum Aufbruch, weg von dem noch so ruhigen Pol unseres Winterquartiers. Die deutschen Circusse sind längst auf Tournee. Wir gehören zu den letzten die losziehen. Aber Norwegen hat es um diese Jahreszeit noch in sich. Wir wissen, daß wir dort noch mit Schnee rechnen müssen. Aber nichts kann uns nun noch zurückhalten.

- Fortsetzung folgt -
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Re: Texte von Monika Kaiser-Golgojew

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 16.07.2007, 23:01

Ein tiefer Seufzer schafft Erleichterung. Der Streß der vergangenen Tage bleibt zurück und wird vergessen. Als alle vier Transporter den Hof verlassen, fällt noch ein Blick zurück und langsam fahren wir durch unser kleines Dorf, in dem wir nun schon zwölf Jahre im Winter zuhause sind. Einige bekannte Gesichter und Freunde stehen winkend am Wegrand. Sie haben eine halbe Stunde schon gewartet, bis wir endlich vorbeikommen. Der Schnitzer steht mit seinem Filmgerät bereit um diesen Moment einzufangen. Gegenseitig winkend ziehen wir vorbei. Es ist ein herrlicher Aprilabend, die Luft ist lind, als sei es schon Mai. Der Himmel klar in seinem erblassenden Blau. Freudenrot strahlen die Rücklichter unserer Autos auf dem glatten Asphalt. Herrlich beschwingte Musik im Radio. Alles scheint unsere Freude zu teilen, hin in eine neue Saison zu fahren. Dann tragen uns schwarze Wellenberge die Nacht herbei. Sie wird lang werden, denn wir wollen die 330 km bis Kiel durchfahren, wo am Morgen die Fähre nach Norwegen uns erwartet. Sechs Stunden brauchen wir, bis es um drei Uhr morgens endlich heißt: „Da vorne Kiel. Immer in Richtung Oslokai fahren!“
Dann alle Türen auf, daß die Tiere frische Luft bekommen. Wasser den Hunden, Heu für die Pferde aufschütteln, dann ab in die Betten und um acht Uhr ist wecken. Todmüde legen wir uns ins Federbett! Der Streß des letzten Tages hat uns doch sehr zu schaffen gemacht. Erst gegen 9 Uhr sind alle wieder auf den Beinen. Zuerst geht es zur Spedition, die unsere Fahrzeuge gebucht hat, um den Platz auf der Fähre sicherzustellen und die Fahrt zu bezahlen, immerhin alles zusammen DM 4100,-. Nervendes Warten auf dem langen Parkplatz am Kai. Grosse Schiffe und Schlepper ziehen an uns vorbei. Eines aus Grönland mit der Farörer Flagge, eines aus Schweden. Hinter unserer Wagenspur füllen sich die Reihen. Dünne Nebelschleier liegen über dem Wasser, Kräne schwingen am anderen Ufer hin und her, beladen Schiffe aus aller Welt. Gegen 11 Uhr mittags beginnen die ersten Autos in das Schiff zu fahren. Endlich um 13 Uhr dürfen wir auch in das grosse Schiffsmaul hineinrollen, und Wagen für Wagen wird verschluckt von dem riesigen Schiff. Ich muß in solchen Augenblicken immer an Jonas und den Walfisch denken. Für 800 km werden wir nun darin verborgen bleiben. Zuerst wieder Wasser für die Tiere, Heu für die Pferde und ein Stück Zucker für jeden. Wir sind kaum an Deck, als das Schiff schon ablegt. An der Information bekommen wir unsere Kabinenschlüssel in Form von Lochkarten. Alle von unserer Truppe haben schon ihr kleines Gepäck untergebracht, als wir immer noch vor unserer Türe stehen. Verflixte Technik! Nachdem ein Stewart eine neue Nummer eingeschaltet hat, klappt es endlich. Die Kabinen sind klein, sauber, mit Dusche, aber leider ohne Fenster. Die Motoren vibrieren unter uns. Georg ist naßgeschwitzt und genießt die Dusche. Es kostet doch immer Nerven bis alles untergebracht ist. Dann gehen wir erstmal ans Oberdeck. Die Sonne steht hoch über dem gelben Schiffsschornstein, der wie eine steile Sprungschanze geformt in den graublauen Nebelsonntag sticht. Hinter dem Schiffskörper läuft eine breite Schaumspur, gleich einer Wasserstraße. Rechts und links tauchen nun schon die Inseln Langeland und Lolland auf, später fahren wir an Fünen und Seeland vorbei. Ab und zu stechen Möven in den grellen Sonnenschein und man denkt, ihre Flügel müßten dabei versengen. Andere wieder stehen in der Luft, so als wären sie an einm seidenen Sonnenfaden an unser Schiff gebunden. Ohne einen Flügelschlag ziehen sie im Sog des Schiffes mit uns. Ich beneide sie ihrer Schwerelosigkeit und scheinbaren Leichtigkeit.

- Fortsetzung folgt -
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