Eine alte Circusratte erzählt - Circusgeschichten

Geschichten, Erinnerungen, Märchen und Gedichte
Benutzeravatar
Circusworld
-
-
Beiträge: 8957
Registriert: 02.07.2007, 02:02

Eine alte Circusratte erzählt - Circusgeschichten

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 16.07.2007, 23:02

Folgende Geschichte fand ich auf der Seite Eine alte Circusratte erzählt :

Reberniggs Löwe

Wie das mit dem Löwen vom Rebernigg war, damals, das wollt ihr wissen ? Die Geschichte habe ich sicher hundertmal erzählt, seit sie passiert ist, aber okay. Ich fang ganz von Anfang an, also der Circus Rebernigg war damals sicher das größte österreichische Unternehmen. Neunundsechzig hat dann der Alte keine Lust mehr gehabt. Der Circus ist immer gut gegangen, da ist genug übriggeblieben in den langen Jahren des Circusgeschäfts, daß ein paar Häuser in Bad Gastein und ein paar wirklich schöne Autos drin waren. Aber schliesslich hats ihm gereicht, vierzig Jahre im Wohnwagen sind auch viel. Seine Idee war,als Abschluß seiner Circusjahre eine Gratistournee durch Österreich zu fahren, fünfzig Orte, und überall freier Eintritt. Wie er das der Frau Rebernigg erzählt hat, hat sie auf der Stelle den Doktor geholt. Der Alte hat also seinen Plan aufgegeben, und den Betrieb zugesperrt.

Damals war das Winterquartier im Marchfeld, in so einem alten Kasten, den der Prinz Eugen für seine Pferdchen bauen hat lassen, Schloßhof heisst das dort, ein Schloss ist es auch gewesen, und rundherum nichts als Rübenfelder. Dort waren die Reste des Circus Rebernigg, und ein paar Sachen, die sonst keiner wollte, sind damals ziemlich billig verschleudert worden. Und unter anderem lag dort der alte Rundkäfig, der Käfig also, der in der Manege aufgebaut wird, wenn die Raubtiere rauskommen.

Und diesen Käfig hat ein Schweinebauer aus Poysdorf gekauft. Ich war dabei, wie ein paar von den Arbeitern, die noch von der Stammbesetzung übrig waren, die Teile hingefahren haben. Wir kommen also dort an, Bauernhof halt, da steht die Frau und drei rotzige Kinder, und der Schweinebauer, und sie schauen uns zu, wie wir den Käfig ausladen. Gut, wir haben diesen Käfig aufgestellt, zwischen Schweinestall und Wohnhaus, weiter nicht ungewöhnlich, zumindest is es uns bis zu dem Punkt normal vorgekommen, man gewöhnt sich an viel, wenn man lang beim Circus ist.

Weniger normal allerdings war die Idee von dem Bauern, sich auch einen Löwen für den Käfig zu kaufen. Einer der Arbeiter hat ihm lange zugeredet, das besser bleiben zu lassen, aber der Schweinebauer war davon natürlich nicht abzubringen. Bei uns hat er den Löwen nicht gekriegt. Die Löwen von Rebernigg sind mit der ganzen Tiernummer verkauft worden. Das war eine ganz große Zugnummer, der Rebernigg hatte als Hauptattraktion einen Löwen,hat übrigens Akbar geheissen, der ist auf dem Rücken von so einem Circuspferd geritten in der Manege. Naja, für Namensfanatiker, ich erinnere mich auch noch an den Namen des Pferds, Kastor. Also, der Löwe war nicht verfügbar. Aber der Bauer hat so lange herumgefragt, bis er einen Tierhändler gefunden hat bei Tulln an der Donau, der ihm einen Löwen besorgt hat. Und den Löwen hat er im Käfig betrachtet, in gefüttert, mit ihm geredet. In so einem abgegriffenen Buch hat er alles über Löwendressur gelesen, und immer zwischendurch mit dem Löwen geredet, und nach drei Monaten war es dann soweit, laut dem Buch zumindest, und er ist, wies in dem Buch gestanden ist, in den Käfig reingegangen.

Zwei Tage später hat sich seine Frau soweit erholt von dem Schock, daß sie im Winterquartier vom Rebernigg angerufen hat, und uns gesagt hat, daß wir jetzt den Käfig wieder abholen können. Von dem Schweinebauern ist eigentlich nicht viel übrig geblieben, der Gerichtsmediziner hat am Anfang,wie der den Zinksarg aufgemacht hat, den ihm die Rettung geliefert hat, an einen Scherz von Kollegen gedacht.

Der Löwe war ja unschuldig, den hat der Tierhändler aber trotzdem nicht mehr gewollt. Schliesslich hat ein Schwager von dem Schweinebauern erbarmen gehabt mit dem Löwen, und ihm ein Gehege gebaut, auf einem Grundstück bei Gänserndorf. Das war der Anfang vom Safaripark.

Der alte Rebernigg, Karl junior, ist achtzig Jahre alt geworden,und 1987 gestorben.
--------------------------------
http://www.circusworld.de
--------------------------------
Benutzeravatar
Circusworld
-
-
Beiträge: 8957
Registriert: 02.07.2007, 02:02

Re: Eine alte Circusratte erzählt - Circusgeschichten

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 16.07.2007, 23:03

Da hat es noch mehr schöne Geschichten: ;)

The Flying Martinis

Der Name allein schon wäre heute nicht mehr möglich, Leute. Stellt euch blos das Gelächter vor, wenn so eine Truppe zu einem Circusdirector geht. The Flying Martinis. Der biegt sich doch vor Lachen, klingt ja wie eine losgelassene Clowntruppe in einer miesen Hotelbar, um vierteldrei in der Nacht. Obwohls ja in manchen Hotelbars um diese Zeit noch ganz andere Sachen geben soll. Aber da fragt ihr besser die Leute vom Circus Rabiat. Die kennen sich in Hotelbars aus. Ist nicht so meins. Ich steh mehr auf Tiere. Auf die ganz kleinen, aus dem Bahlsen-Mini-Zoo.

Also, Flying Martinis. Das war eine Nummer. Trapezflieger, erste Wahl. Zwei Männer, Giuseppe und Luigi, und eine Frau, Carla. Hübsche dunkle Locken, klein und anmutig, aber das setzt man ja bei solchen Mädels voraus, oder ? Hatten ein eigenes Trapez, den ganzen Aufbau, und einen Laster dafür, einen schönen Wohnwagen dazu, und immer fein herausgeputzt, wenn sie nicht grade die Übungstrikots anhatten.

Ich hab die Nummer kennengelernt, wie wir zum Circus Orphei gekommen sind, am Anfang der Saison siebenundvierzig, in Verona. Der Circus Orphei war ein ganz großer Betrieb damals. In Italien hats ja immer schon ein Ministerium für Circus gegeben, und eine Menge guter Circusbetriebe, die zwei größten waren damals eben Orphei und Togni. Sind zwei Familienbetriebe gewesen, und die Familien waren durcheinander verwandt, wie das so Brauch war. Wir sind dann also gemeinsam bei Orphei gefahren, meine Truppe und die Flying Martinis. Ging so drei Monate, wir waren zu der Zeit in einem der großen Badeorte an der Adria, ich glaub`, es war Rimini, aber das würde ich nicht beschwören, diese Touristenfallen schauen sowieso alle gleich aus, und auf den Strand sind wir in solchen Orten nie gekommen, war einfach keine Zeit dazu, wenn einmal ein Tage frei war, haben wir das genützt, um irgendwo ausserhalb billig einzukaufen.

Also, natürlich war das eine ordentliche Hitze, im Sommer an der Adria, vor allem in der Zeltkuppel, wo die Trapezflieger gearbeitet haben. Wenn den ganzen Tag die Sonne auf das Zelt gebrannt hat, hat mans oben kaum ausgehalten. Die Flying Martinis haben auch ordentlich geflucht über die Hitze, und über ihr Pech, und hätten wahrscheinlich gern mit irgendeinem Walfänger getauscht an solchen Tagen.

Hat man ja auch öfter gehört von Nummern, die in der Circuskuppel arbeiten, daß es da durch die Hitze zu Unfällen gekommen ist, Herzflimmern und sowas, und dann ist es aus da oben, oder das Material bricht durch die Hitze. Eines Tages haben die Martinis am Nachmittag gesagt, sie gehen heut nicht rauf. "Soso, bene, molto bene !, Ihr geht also nicht aufs Trapez heute, grandioso, Sensatione !" Der alte Orphei hat getobt, mit den Fäusten auf den Wohnwagen getrommelt, daß alle zusammengelaufen sind. Dann hat er eine wüste Rede gehalten, von Artistenehre und Circusgesinnung, die Haare sind ihm dabei zu Berge gestanden, er hat ausgesehen wie einer seiner Löwen.

Aber es war nichts zu machen, die Trapezleute haben verweigert. Zu heiss da oben, haben sie gesagt, basta.

Der alte Orphei hat sich seinen Anwalt ans Telefon geholt, wegen dem Vertrag, ob da was drinsteht wegen Auftrittsverweigerung bei Hitze, aber die Verbindung war schlecht, in der Bar, wo er telefoniert hat, wars laut, es ist nichts dabei rausgekommen.

Die Vorstellung hat begonnen, aber die Flying Martinis haben sich nicht umgezogen. Also hats keine Trapetznummer gegeben, das Publikum war ordentlich enttäuscht, klar, das Trapez war ja da, aber niemand ist raufgegangen, um drauf zu arbeiten.

Am nächsten Morgen ist der Anwalt vom Orphei in seinem großen, schönen Auto aufgetaucht, und im Wohnwagen vom Boss verschwunden, und dann hat der Alte die Martinis rufen lassen, und kurz darauf haben die Zeltarbeiter das Trapez abgebaut und aufgeladen, und Mittags sind die Martinis mit stolzem Winken abgefahren.

Alle haben geglaubt, das wars, keine Trapezflieger in dieser Saison bei Orphei, eine Schande ohne Ende. Wir haben uns schon vorgestellt, wie die anderen Unternehemen, die ja auch wie wir in der Gegend waren wegen der Touristensaison, uns auslachen. Orphei mitten in der Saison ohne Trapeznummer, degradiert zu irgendeinem mittelmäßigen Schaustellerladen. Hahaha!

Aber drei Tage drauf, und da waren wir schon wo anders, und Leute, da weiss ich auch genau, wo das war, nämlich in Cesena, sind diese Flying Martinis wieder aufgetaucht, mit einem noch viel feinerem Anwalt in einem noch größeren Auto, und mit einer Partie von sechs Arbeitern.
Sie sind rein in den Wohnwagen vom Boss, mit ihrem Anwalt, und man hat sie eine Zeit lang miteinander schreien gehört, und dann wars ruhig. Ist gleich umsomehr aufgefallen, weil wir alle draussen vor dem Wagen gestanden sind, und zugehört haben.

Dann ist Luigi Martini rausgekommen, er hat gegrinst, und den sechs Arbeitern, die da gewartet haben, was gesagt, und die sind ins Zelt gegangen mit ihrem Werkzeugen. Der alte Orphei ist rausgekommen, hat uns gesagt, daß zwei Tage keine Vorstellung ist, und wir haben uns alle sofort zusammengepackt, und sind unserer Wege gegangen. Wie wir wieder zurückwaren, am Abend, sind die Arbeiter noch immer im Zelt bei der Arbeit gewesen. Der nächste Tag war auch noch frei, wir waren am Strand. Sehr sonderbar übrigens, weils an diesem Tag gleich nicht mehr sonnig war, sondern den ganzen Nachmittag ein Unwetter über uns weggezogen ist.

Tags darauf war Vorstellung, und wie wir am Nachmittag ins Zelt gekommen sind, war die Kuppel umgebaut, da waren so eine Art Fenster, also unter der Kuppel Öffnungen, mit Klappen aus neuer Zeltbahn, alles sauber genäht und mit Tauen, damit mans von unten bedienen konnte. Es war auf einmal auch nicht mehr so heiss, und die Flying Martinis sind wieder aufgetreten.

Nach der Vorstellung hats eine schöne Feier gegeben, der alte Orphei hat was springen lassen und die Arbeiter haben ein Fass Wein herangeschleppt, und das Essen war auch nicht der Einheitstopf aus Spaghetti mit Spaghetti, wie sonst.

Wir waren dann noch bis Ende Oktober unterwegs mit der Truppe, dann ist Orphei nach Süden runter ins Winterquartier gegangen. Im nächsten Jahr bin ich ganz woanders unter Vertrag gewesen, das war das einzige mal, daß ich den Vetrag nicht vor dem Unterschreiben gelesen hab, aber das ist eine andere Geschichte. Zufällig hab ich aber während der Tournee ein Plakat gesehen von Orphei, und bin an einem Nachmittag hingefahren, war nicht weit von dort weg, wo wir damals gespielt haben. Ein paar Leute waren da, die ich von der vergangenen Saison gekannt hab. Die Flying Martinis aber nicht mehr. Die hatten was Besseres inzwischen. Die haben sich nämlch diese Lüftungsklappen weltweit patentieren lassen, und mit dem Geld, das sie damit gemacht haben, ein altes runtergekommenes Weingut gekauft, und sich auf die Produktion von Wermut verlegt.Und so, wie sie's am Trapez gemacht haben, allerbestens eben, haben sie das mit dem Wermut auch hingekriegt. Kann man ja heut noch in jedem Supermarkt sehen, daß mans nur zu was bringt, wenn man dem Circus bei erstbester Gelegenheit "Ciao" sagt, Leute.
--------------------------------
http://www.circusworld.de
--------------------------------
Benutzeravatar
Circusworld
-
-
Beiträge: 8957
Registriert: 02.07.2007, 02:02

Re: Eine alte Circusratte erzählt - Circusgeschichten

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 16.07.2007, 23:04

Conny von Sargans

"Sagen sie, fehlt da nicht ein Pferd ?"
"Wo ?"
"Na, in der Nummer, die eben in der Manege ist !"
"Möglich, Herr Director."

Könnt ihr euch so einen Dialog vorstellen, in breitem Schwiezerdütsch, während der Circusvorstellung. Also, angeblich, ich war ja nicht dabei damals in Leningrad, oder St. Petersburg, wies heute wieder heisst, war das der Moment, wo der Director vom Circus Knie draufgekommen ist. Das ihm ein Pferd abgeht. Gefehlt hats schon länger, wie sich später rausgestellt hat. Aber draufgekommen ist er während der Vorstellung. Der Circus Knie war damals auf Gastspiel in Leningrad. Also, damals Leningrad. Vorher hats ja St.Petersburg geheissen, unterm Zaren. Übrigens ein Bruder der alten Victoria, Königin von England. Passabler Reiter, obwohl er schwächlich war wie die ganze adelige Sippschaft. Na, und nachdem ihm die Bolschewiken das Licht ausgeblasen haben, hat die Stadt Leningrad geheissen. Wer Lenin war, ist ja bekannt. Und Grad ist russisch, bedeutet Stadt. Selten, daß eine Stadt umbenannt wird. Fällt mir nur noch St. Pölten ein, daß hat ja früher auch Rübenfeld geheissen. Wer der heilige Pölten war, kann ich euch aber nicht sagen. Okay, ich sehs ein, ich wollte die Geschichte von "Conny von Sargans" erzählen. Jedenfalls heisst Leningrad inzwischen wieder St. Petersburg. Aber einen neuen Zaren haben sie nicht, dort.

Hat also eine Zeit lang gedauert, bis der Director bemerkt hat, daß in der Pferdenummer, die der ganze Stolz vom Circus Knie war, eines der Pferdchen fehlt. Klar, waren eine Menge Rösser, da fällts nicht gleich auf. Und wenn die Viecher so durcheinanderrennen in der Manege, schon gar nicht. Aber an dem besagten Abend wars dann raus. Nach der Vorstellung hat der Stallmeister mit dem Director nachgezählt, dann haben sie den Platz abgesucht, hinter den Wagen geschaut, noch einmal gezählt, bis spät in der Nacht. Nichts. Oder, besser gesagt, weg !

Gefehlt hat das Pferd mit dem Namen "Conny von Sargans". Alle Pferde beim Circus Knie hatten einen ordentlichen Stammbaum, und waren von alter Rasse und bester Zucht. Und hatten schöne Namen.

"Jagut", hat der Director gesagt, und ihr müsst euch diesen schweizerischen Tonfall vorstellen, "Jagut, da fehlt ja ein Pferd, aber wo ist es, hm? So geht das ja nicht, daß da ein Pferd fehlt."

Klar, da hatte er recht. Na, am nächsten Morgen in aller Früh haben sich der Director und der Stallmeister die Leute vom Circus vorgenommen. Ist aber nichts rausgekommen. Keiner hat was gesehen oder gehört. Daß ein Pferd fehlt, ist schon einigen Leuten aufgefallen, aber weiter hat sich niemand Gedanken gemacht. Jedenfalls hatte der Stallmeister ein Problem. So ein Pferd ist keine Kleinigkeit. Im Circus gibts schon Geschrei, wenn wo ein dreckiger Hullahopp-Reifen abgeht. Und jetzt ein Pferd. Mit allem drum und dran. Und an einem Circuspferd ist eine ganze Menge dran. Kopf mit Ohren und Mähne, und vier Hufe und so weiter und so fort. Ihr wisst ja, wie ein Pferd aussieht, nehme ich an.

In der Heimat wär das ja einfach gewesen, dort geht man in solchen Fällen zur Gendarmerie, und sagt: "Grüazi miteinand`, unsch ischt ein Ross abhanden gekommen." Und die kümmern sich dann drum. Aber in Leningrad war das nicht so einfach. Dem Circus war von der sowjetischen Regierung ein Politkommissar zugeteilt, der hatte die Aufgabe, den Kontakt mit den örtlichen Behörden herzustellen, und dafür zu sorgen, daß alles mit rechten Dingen zugeht. Für verschwundene Pferde war der nicht zuständig. Und zur Polizei in Leningrad zu gehen wegen dem Pferd, hätte wahrscheinlich unendliche Komplikationen zur Folge gehabt, außerdem waren die dort an der Sache nicht interessiert.

In der Stadt herumhören, wo das Pferdchen geblieben war, hätte wenig Sinn gehabt, noch dazu war beim Circus niemand, der gut genug Russisch gesprochen hätte. Und außerdem wars bitterkalt in diesem Winter, und Schnee ohne Ende auf den Straßen.

Natürlich hats die Leute vom Circus beschäftigt, jeder wollte rausbekommen, wo das Pferd ist, oder was mit ihm wohl geschehen war. Die tollsten Ideen hatten die Leute; Von einem anderen Circus gestohlen, davongelaufen, und ganz heimlich haben ein paar gemunkelt, man könne "Conny von Sargans" schon am Schwarzmarkt kaufen, als Salami.

Aber wirklich aufgeklärt hat sich das Rätsel nicht. Im Februar war das Gastspiel des Circus Knie zu Ende, ohne daß dieses Pferd wieder aufgetaucht wäre. Der Circus wurde zusammengepackt und auf einen Eisenbahnzug verladen, und dann gings los, nach Hause in die schöne Schweiz. Aber so einfach kommt man, mit einem Circus auf dem Buckel, nicht dorthin. Da sind ein paar Länder dazwischen, mit Grenzen und klar wurde dort damals verbissen kontrolliert. Kalter Krieg und so. Vergesst nicht, in dem Jahr waren die Amerikaner dabei, einen Mann auf den Mond zu fliegen, wies der Kennedy angekündigt hatte. Das hat die Leutchen hinter dem eisernen Vorhang ordentlich geärgert, da haben sie keine Gelegenheit ausgelassen, um einen Spion aus dem Westen zu kriegen. An der Grenzstation zwischen Polen und der damaligen CSSR, einem Posten namens Ledenâcz, wars dann soweit. Irgendein beflissener junger Grenzsoldat hatte nichts besseres zu tun, als in der Nacht, mit einer Taschenlampe in der einen und den Papieren von der Einreise des Circuszugs in der anderen Hand, durch den auf einem Abstellgleis im Schneesturm stehenden Zug zu gehen und die Pferde zu zählen. Möglich, daß er von einem Bauernhof war, und Tiere mochte, oder einfach Pflichtbewusstsein an den Tag legte, auf einmal wars aus mit der Gemütlichkeit. Der Zug wurde umstellt, der Direktor rausgeholt aus dem Schlafwagen, und alles durchgewühlt. Komisch, aber offensichtlich hofften die Grenzer, das Pferd in irgendeinem Koffer zu finden.

Dann wurden die Circusleute in die winzige Grenzstation geholt, und befragt, einer nach dem anderen. Aber es hat ja keiner was gewusst. Und dem Director ging ziemlich schnell auf, daß es doch vielleicht klüger gewesen wär, in Leningrad zur Polizei zu gehen, dann hätte er jetzt wenigstens ein Protokoll gehabt, und beweisen können, daß er das Pferd nicht unter der Hand verkauft hatte, oder gegen guten russischen Vodka eingetauscht.

Inzwischen wars Tag, kalt und grau, der Zug ist da gestanden, ohne Lokomotive, und die Situation war völlig ausweglos. Die Grenzsoldaten wollten eine Erklärung, wieso da einfach ein Pferd fehlte, und forderten Verstärkung an, die Circusleute wollten weg von der öden Bahnstation und nach Hause, wo`s endlich wieder Fondue und Emmentaler gespielt hätte statt Bortsch und Rüben.

Schliesslich hatten die Zeltbauer, fünf Jungs von allerbester Reputation, die schon ein paar Saisonen mit dabei waren, erbarmen mit dem Chef. Nach einem kurzen Gespräch im Abteil des Directors ging er mit Ihnen in die Grenzstation, und dort sollen sie angeblich gesagt haben, daß sie "Conny von Sargans" in Leningrad geschlachtet und aufgefressen haben. Klingt für unsereins ja völlig unglaublich, daß jemand, der beim Circus ist, noch dazu so lange, ein Circuspferd anfällt und auffrisst. Die Grenzsoldaten jedenfalls müssen das geschluckt haben, sonst würde der Circus Knie ja noch immer dort auf dem Rangiergleis stehen.

Gut, werdet ihr sagen, aber wo ist denn nun das Pferdchen wirklich geblieben. Naja, Leute, ich schätze, das wissen wahrscheinlich wirklich nur die Zeltbauer vom Circus Knie.

http://www.circus-rabiat.com/Circus/Clark.asp
--------------------------------
http://www.circusworld.de
--------------------------------
Antworten