Abenteurer + Gleiches Recht für alle

Geschichten, Erinnerungen, Märchen und Gedichte
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Abenteurer + Gleiches Recht für alle

Ungelesener Beitrag von Admin » 05.07.2007, 21:08

Abenteurer

Ein älterer Mann gräbt schwer schnaufend seinen Gemüsegarten um. Sein Enkel kommt: “Opa, gib mir den Spaten, ich grab dir’s um.” Der Alte gibt dem Enkel den Spaten und setzt sich auf eine Bank daneben und noch schnaufend erzählt er, was der Enkel schon kennt, schon oft gehört hat: “Mein Junge, früher hatte ich Bärenkräfte und eine Kondition. Im Rundschlag habe ich die Anker in den Boden geklopft. Drei Mann im Wechsel flogen die Vorschlaghämmer immer stählernen Rhythmus. Klack, klack, klack! Die Seile spannten wir mit unserer Muskeln Kraft. Das Zelt alle zwei bis drei Tage rauf und runter. Bei jedem Wetter. Früher gab es noch kein Plastik, da waren die Zeltplanen aus schwerer Baumwolle. Vom Regen durchnässt gar doppelt so schwer. Da gab es noch keine Gabelstapler. Alles war reine Muskelkraft. Der Circus musste immer spielen! Zelt auf, Zelt ab, Gradin aufbauen und dann die Bänke von dreitausend Menschen wieder rein in die Wägen.

Tausende Teile zerlegt in wenigen Stunden. Sechs Stunden der Aufbau und in zwei bis drei Stunden wieder alles abgeräumt. Damals ging alles noch mit dem Zug, des nachts wurde alles auf Loren rangiert, hunderte Wagen und die Tiere in Waggons. Zwanzig riesige Elefanten, hundert Pferde, zwanzig Kamele, exotische Rinder, Zebras, Esel und vieles mehr. Zu Fuss führten wir sie durch die Städte vom Bahnhof zum Platz und wieder zurück. Die Löwen und Tiger, zwölf Eisbären, Braunbären, Affen und anderes Getier in sicheren Wägen. Alles wanderte hin und her. Des nachts rollten die Sonderzüge und todmüde, leicht alkoholisiert schaukelten uns die Schwellen und Weichen in den Schlaf. Taramta-taramta, ich höre es noch in den Ohren. Durch Klötze und Ketten gesichert bewegten sich unsere Wägen auf den Loren. Später vermisste ich dieses wiegende Geräusch im Schlaf. Früh am Morgen das neue Wecken und erneut bewegte sich alles zum neuen Platz. Eine harte Zeit, sie machte aus uns Männer. Damals hatte ich noch bärige Kräfte. Der Acker hier wäre im Nu umgegraben gewesen.” Der Enkel nickt, er glaubt es dem Grossvater, hatte Fotos gesehen von dem jungen Mann mit entblösstem Oberkörper. Die Muskeln strotzten hervor. Ein strammer Kerl war der Alte einmal gewesen. Der Enkel will es ihm nachtun und gräbt schneller. Gleich ist der ganze Acker soweit: “Opa, ich kann es auch, siehst du. Ich habe deine Kraft.” Kaum dass der junge Mann fertig ist, setzt er sich zum Alten: “Sag Opa, wieviel gibst du mir nun für den Kurs?”

Der Alte schaut den Enkel prüfend an: “Willst du nun wirklich vom Himmel springen? Was wird deine Mutter dazu sagen?” Er sieht die Sehnsucht in den Augen des Enkels und nickt: “Ist gut, ich geb dir die Hälfte. Aber zuschauen will ich auch!”

Peter B.
-2003-
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Gleiches Recht für alle

Ungelesener Beitrag von Admin » 05.07.2007, 21:15

Gleiches Recht für alle

Komme gerade von einer Vorstellung des Showcircus FlicFlac von Pforzheim und sehe kurz vor Mitternacht in der Ferne schon fast das Stuttgarter Kreuz. Jäh muss ich abbremsen, Warnblinkleuchten zeigen einen Stau an. Zwanzig Autos vor mir, vor einem grossen Sattelzug hat sich etwas ereignet. Viele Sirenen heulen auf, Rettungswagen, mehrere Feuerwehren, Abschleppfahrzeug, Polizei, Sachverständiger, alle bahnen sich in der Mitte zwischen wartenden Autos einen Weg zur Unfallstelle. Plötzlich auch zwei Dienstwagen der Baden-Württembergischen Landesregierung mit Blaulicht. Doch auch diese müssen vor der Unfallstelle stoppen und sich an den Strassenrand stellen. In einem dieser Dienstwagen sehe ich Ministerpräsident Günter Oettinger sitzen. Ein schmächtiger Mann, müde und blass nach einem wohl anstrengenden Tag. Auch er muss darin warten, bis der Unfallverlauf geklärt ist. Ein PKW ist aus unerklärlichen Gründen gegen die Leitplanke in der Mitte der Autobahn geknallt und hat sich dann mehrfach überschlagen, liegt nun am Strassenrand auf der Seite. Ein Wrack für den Autofriedhof oder für den Ersatzteilmarkt in Polen. Den Fahrer hat es anscheinend rausgeschleudert, denn er fehlt und wird nun von Feuerwehrmännern mit Taschenlampen grossräumig gesucht. Über die angrenzenden Felder, bis hin zu in der Ferne sichtbaren Häusern wird ausgeleuchtet. In der herbstlich kalten Nacht, kann ein unter Schock stehender Mensch noch weit laufen, bevor dieser zusammenbricht.
Ein Grossaufgebot an Helfern sichert die Unfallstelle. Vor einem rotweissen Begrenzungsband stehen viele Autofahrer diskutierend auf der Autobahn, auch die Fahrer der Dienstwagen der Parlamentarier. Günter Oettinger nutzt die späte Stunde mit Arbeit, macht sich Notizen und blickt auf Fernsehmonitore in dem mit allen Vorzügen ausgestatteten Mercedes. Andere Autofahrer nicken in ihren Sitzen ein. Keiner weiss wie lange dieser Stau noch andauern wird. Ein Polizist spricht von ein bis zwei Stunden.
Eineinhalb Stunden später beginnt ein Feuerwehrfahrzeug zu rangieren und der Fahrer des Ministerpräsidenten steigt in sein Fahrzeug. Ich frage eine Polizistin: „Ist das nun nur für Oettinger oder alle?“
„Gleiches Recht für alle!“ klingt es freundlich aus ihrem Mund und über Lautsprecher ordnet sie die Reihenfolge der Weiterfahrt an. Nur wenige Minuten später passiere auch ich die Unfallstelle. Der Ministerpräsident hat höchstens fünf Minuten Vorsprung. Tröstlich, dass Gross und Klein mit gleichem Recht behandelt wurden, wenigstens hier war die Parität gewahrt.

17./18.10.2005
Peter Burger

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Wolfgang A.
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Re: Abenteurer + Gleiches Recht für alle

Ungelesener Beitrag von Wolfgang A. » 03.10.2008, 08:56

1977 wollte ich in das " normale Leben " :roll: zurückkehren. Als gelernter Einzelhandelskaufmann wagte ich den Versuch wieder in meinen erlernten Beruf zurück zu kehren. Ich bewarb mich bei der Firma Philipp Morris (Tabakwaren) für den Außendienst. In einem führenden Hotel in Kiel war das Vorstellungsgespräch. Da saßen dann zwei Mann in Maßanzügen und sahen aus wie aus dem Ei gepellt. Auch ich hatte meine Sonntagnachmittagkaffeetrinkerausgehuniform an :mrgreen: . Also Anzug, Krawatte und geputzte Schuhe. Als ich an ihren Tisch trat, standen sie auf begrüßten mich und bestellten mir ein Kännchen Kaffee, nachdem sie gefragt hatten, was ich denn trinken wolle. Das erste, was ich dann zu hören bekam, war die Frage, ob es stimmt und vor allem warum ich beim Circus war. Es stand ja in meinem Lebenslauf. Sie kamen von diesem Punkt nicht mehr los und in mir brodelte es schon. :evil: Dann kam eine Frage, die mich auf die Palme brachte. Sie wollten wissen ob ich etwas angestellt hätte und mich beim Circus verstecken wollte.(Die Zeiten, wo es möglich war, sich bei Reiseunternehmen oder auf See "verstecken zu können" waren da schon längst vorbei) Ich versuchte den Grund (Reise-und Abenteuerlust) zu erklären. Leider vergeblich, :cry: , sie blieben dabei, ich hätte etwas zu verbergen und sei somit nicht geeignet für ihre Firma.Jetzt drehte ich auf :twisted: und entgegnete ihnen :" Nicht ich bin nichts für ihre Firma, sondern sie sind nichts für mich. Hier sind fünf Mark für den Kaffee, von solchen Leuten will ich nichts geschenkt haben und her mit meinen Unterlagen." :D Als einer von den Beiden noch etwas sagen wollte, bin ich auf ihn zu, schnappte seine Krawatte und erklärte ihm, das die Leute im Circus, im Gegensatz zu ihnen beiden wenigstens Menschen waren und vor allem ohne Vorurteile. dann sagte ich ihm noch, wäre es nicht gerade hier im Hotel, würde ich noch ganz anders mit ihm
reden. Dabei hielt ich ihm meine linke Faust unter die Nase. :lol: Dann sah ich zu das ich rauskam, denn ich kochte vor Wut.
Das war die Erfahrung, die ich damals unter dem Motto : Gleiches Recht für alle, erlebt habe.
All solche Geschichten über mein damaliges Leben habe ich mir notiert und kann somit aus dem Vollen schöpfen.
Gruß Wolfgang A.

Wer einmal den Sägemehl-Staub der Manege im Hosenumschlag hatte, den lässt der Circus nicht mehr los.
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