Kamerun und Elfenbeinküste 1986

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Circusworld
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Kamerun und Elfenbeinküste 1986

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 30.12.2019, 23:29

Cirque Williams (1986)

Nach einer siebenmonatigen Tournee durch 13 Städte der Elfenbeinküste und 20 Städte in Kamerun berichtete mir mein Freund Leici Kocka-Karah Khavak von seinem abenteuerlichen Engagement der Saison 1986, die aber genausogut heute stattfinden könnte, da sich die Verhältnisse in diesen Ländern kaum verändern. Alles, was ich hier beschreibe, ist eine Mischung meiner Worte und den langen Erzählungen meines Freundes, die ich auf Tonband aufgenommen habe.

Nachdem Leici bereits sehr viele Länder und auch schon Südafrika (mit Boswell Wilkie) bereist hatte, bot sich für ihn ein sehr lukrativer Vertrag mit einer Direktion, die ihm aus früheren Jahren bekannt war. Dieses Abenteuer Afrika reizte ihn und so erlebte er eine Tournee ohnegleichen, wie er sie vorläufig sicher nicht mehr wiederholen will.

Die spanischen Brüder Raluy bereisten mit zwei Geschäften unter den Namen Ringland und Williams die Länder Spanien, Portugal, Afrika, Martinique, Südamerika und andere Regionen. Eduardo mit Ehefrau und zwei Kindern, mit seinem Bruder Franzis Raluy wählten nach drei Afrikatourneen unter dem Namen Ringland nun den Namen Williams, da einer der Brüder auch den Vornamen Willie trägt. Die Plakate waren wild zusammengekauft von italienischen Druckereien. Mancher Circusfreund hätte vor Ort den Eindruck bekommen können, dass mehrere ihm bekannte Circusse da unten reisen würden.

Mit einem über zehn Jahre alten Viermaster 34x38 m, mit zwölf Reihen Gradin, erhöhter Bühne und einem Minimum an Wagen bewegte sich dieses “Himmelfahrtskommando” durch Land und Dschungel. Mit von der Partie waren neben den Hausnummern auch der Dresseur Mike Barry mit acht Raubtieren (Tiger/Löwen/Ligronen), fünf Ponys und fünf Schimpansen, dazu der Artist Juan Farga und Ferry Torres (Sohn des holländischen Circussprechers Frank Torres), ferner ein Team von Farbigen für den Auf- und Abbau und für Wächterdienste, die Tag und Nacht erforderlich waren. Denn ganz schnell stand der schützende Zaun bis zu zweihundert Meter vom Circus entfernt, oder wurden die Tiere und Wohnwagen mit Steinen bombardiert. Daher hatte Leici auch seinen Wohnwagen in Deutschland gelassen und sich ein Wagenabteil geben lassen. In dieser Enge von 1,50 x 2,20 m hauste er und genoss daher jede Abwechslung hygienischer Art, wie zum Beispiel die Dusche im Matrosenheim von Duala. Auch die Verpflegung war insgesamt mangelhaft und sehr teuer. Nur in den Hauptstädten gab es Supermärkte, allerdings mit überzogenen Preisen für oft schimmlige Marmelade, Schokolade voller Maden und total überzogenen Verfallsdaten. So gab es vor allem viel pulverisierte Nahrung zum schnellen Aufkochen!

Zu diesen Missständen kamen die regelmässigen Kontrollen der korrupten Polizei, von denen man sich regelmässig mit Schmiergeld freikaufen musste, um weitere Schikanen zu verhindern. Diese Strapazen waren nur durchzuhalten dank des guten Zusammenhalts unter den Artisten und der freundlichen Kontakte zu Europäern, vorallem in der deutschen Seemannsmission in Duala, die auch bei der schwierigen Überweisung von Geld nach Deutschland halfen.

Die Direktion hatte alle Macht und vorallem auch die Schiffs- und Reisepapiere der Artisten fest in der Hand.

Das Verhältnis war daher mehr schlecht als recht, und alle Artisten litten oft unter diesem ungerechten Verhältnis, da sie sich nun wie Sklaven der Direktion fühlten (das ist ein immer wiederkehrendes Problem, dass südländische Direktionen wichtige Papiere zurückhalten, um damit Artisten zwangsweise an sich binden). Glücklicherweise waren die Frauen von Juan Farga und Leici zuhause geblieben, und Mike Barry schickte auch bald seine total entnervte Frau und Tochter nach Spanien zurück. Besonders für den Dresseur war dies eine besonders nervenaufreibende Tournee, da oft während der Vorstellung das Stromaggregat ausfiel, und es dann für ihn eine heikle Arbeit war, alle Tiere aus dem Zentralkäfig in die Wagen zu treiben.

Das Programm bestand neben den bereits benannten Tiernummern aus einer Arbeit am Trampolin, einer Clownerie, Glasbalance, Vertikalseil und einer Magic-Show. Musik wie üblich vom Band.

Die Landschaft fand Leici wunderschön, aber sonst alles sehr zurückgeblieben. Jedem Weissen wurde sofort der dreifache Preis berechnet und alleine auszugehen war immer ein Risiko. Vor seinen Schlangen hatten die Einheimischen panische Angst, aber nicht vor den Krokodilen, die dort übrigens Kaimans genannt werden, obwohl es in Afrika keine Kaimane gibt. Diese Sprachverwirrung sollen Missionare ausgelöst haben.

Viel schlimmer empfand Leici die Essensspezialitäten dort, nämlich Krokodil- und Menschenaffenfleisch. Die Krokodile mit auf dem Rücken zusammengebundenen Beinen und Maden aus den Augen tretend wurden lebend auf dem Markt angebunden, ebenso die langen Arme von Schimpansen und Gorillas, wie Schinken aufgehängt, Spezialitäten, die auch bei Staatsempfängen unter Afrikanern als besondere Leckerbissen kredenzt werden. Außerdem gelten die zerriebenen Knochen von Menschenaffen als Stärkungselixier für Schwangere und Kinder.

Für die Tierdresseure Leici und Mike eines der traurigsten Kapitel. Einzelne Tiere wurden von ihnen aus Mitleid freigekauft, überlebten jedoch nicht lange, trotz Vitamin- und Antibiotikaspritzen. Ein grosser Zwiespalt für Leici, der einerseits die immer enger werdenden Tierschutzbestimmungen in Europa spürt, anderseits nicht verstehen kann, dass in den Ursprungsländern diese Tiere nun einfach geschlachtet werden. Auch seine wertvollen Krokodile waren gefährdet, da die Kinder immer wieder seine Tiere im Freigehege mit Steinen bewarfen. Insbesondere in der heissen Sommerszeit war dies ein grosses Problem, da es in den Tierwagen zeitweise zu warm war. Da kam das Wasser mit 33 Grad Celsius aus der Leitung, was für Krokodile schon zu warm ist. Dafür musste bei manchen Dschungelplätzen das Wasser bis zu 500 m mit Eimern aus Flüssen herangetragen werden. Einige Plätze waren weitab von den Hauptstrassen, ohne Strom-, Wasser-, oder gar Telefonanschluss. Auf einer solchen Dschungelpiste glitt der dreiachsige Pistenwagen über einen Brückenrand, so dass eine Achse über dem Abgrund schwebte.

Mit Buschmessern wurde eine Schneise in den Dschungel geschlagen und dort wurden Bäume gefällt, die wiederum als Hilfsmittel dienten, die Brücke zu verbreitern, um nach Stunden den Pistenwagen wieder auf sicheren Grund zu ziehen. Bei staubigen oder glitschigen Strassen brauchte der Circus für 50 km oft den ganzen Tag. Daher gab es notgedrungen immer wieder Ausfalltage. Ähnlich glitschig war es im Chapiteau, wenn der Regen durch unzählige Löcher in der Zeltplane spitzte. Die Arbeit mit Tieren stand daher ständig unter erhöhtem Risiko.

So liesse sich noch fast unendlich weitererzählen, von Diebstählen von Kleidung, Wertsachen, dem Stromaggregat von Leici, dem Handel mit Behörden und Polizei. Das Tonband ist hier noch lange nicht zuende erzählt. Doch allen Lesern dürfte jetzt schon klar sein, dass dieses Abenteuer Afrika nicht unbedingt zu empfehlen sein.

Oktober 1987 / veröffentlicht in der Deutschen Circus Zeitung


Nachtrag: Die Rückreise per Schiff war ähnlich kompliziert und als er in Antwerpen ankam, waren drei lukrative Galas verloren. So fuhr er in sein damaliges Quartier bei Celle, schneiderte neue Kostüme und fuhr dann weiter nach München und gastierte im 1. Winterprogramm des Circus Krone. 1987 gastiere Leici beim Circo Mundial in Spanien, wo ich ihn in Madrid besuchte und dann wurde er in Paris für über zehn Jahre die Spezialattraktion im Moulin Rouge.

Peter Burger
Dateianhänge
Leici in Afrika.jpg
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