Kambodscha

Circus in Asien
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Tina
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Kambodscha

Ungelesener Beitrag von Tina » 28.03.2009, 20:32

Der Zirkus der Waisenkinder

Phu Nam ist 17 Jahre alt. Sie tritt auf im Zirkus der Kinder-Selbsthilfeorganisation Phare Ponleu Selpak, vor heimischem Publikum. Der Zirkus bietet eine Mischung aus Pantomime und Artistik. Seine Tourneereisen führen bis nach Europa. Phu Nam hat Talent. Vor zehn Jahren war sie ein Straßenkind. Der Vater starb an AIDS, die Mutter ist infiziert. Der Zirkus befreite sie aus dem Elend.

Hinter der Bühne: Vorbereitungen für den nächsten Auftritt. Alle hier sind Waisen, Halbwaisen, Verstoßene, Vernachlässigte: Ihre Eltern hatten die Schreckenszeit der Roten Khmer in Flüchtlingslagern überlebt, blieben nach der Rückkehr entwurzelt und verarmt. Diese jungen Leute fanden einen Ausweg für sich - durch die Zirkusarbeit.

Die akrobatische Pantomime erzählt vom Verhältnis der Geschlechter, von sanft-geschmeidigen Mädchen und kraftmeiernden Jungs. Und von erster erwachender Liebe zwischen Mann und Frau. Die Mitglieder der Truppe sind zwischen 17 und 20 Jahre alt. Eine professionelle Truppe, die mit ihren Auftritten gutes Geld verdient.

Am Nachmittag übt der Nachwuchs: 450 Kinder kommen regelmäßig aus den umliegenden armen Dörfern aufs Gelände der Organisation Phare Ponleu Selpak. Neben der Artistenschule gibt es eine Bücherei, Musik- und Zeichenunterricht. Der Ehrgeiz hier: Eines Tages in die professionelle Truppe aufzusteigen, als Musiker oder als Artist.
Nach dem Unterricht zum Training in die Zirkusschule

Gleich nebenan liegt die Schule. Auch sie wurde von der Organisation gegründet. Phu Nam will ihr Abitur machen. Eine selbstbewusste junge Frau. Nach dem Unterricht eilt sie jeden Tag in die Übungshalle der Zirkusschule. Dort herrscht Betrieb. Die Kinder üben sehr selbstständig, bestimmen ihr Lerntempo selbst.

Phare Ponleu Selpak wurde 1994 als Mal- und Zeichenschule eröffnet. Vor elf Jahren kam die Zirkusschule hinzu. Es gibt Zuschüsse von internationalen Hilfsorganisationen, aber die Finanzbasis liefern die Auftritte des Zirkus. Dessen Gründer wuchs selbst als Waise im Flüchtlingslager auf. Für eine Auslandstournee bekommt Phu Nam 1.000 Dollar. Ein Vermögen in Kambodscha.
Ort der Hoffnung

Der Gründer und Chef der Truppe betont die therapeutische Wirkung. Die artistische Arbeit, sagt Khuon Det, gibt einen Sinn fürs Leben, man lernt das Zusammenarbeiten mit anderen, der Zirkus befreit vom Trauma der Misshandlung und des Elends. In einem Land, in dem arme Eltern ihre Kinder in die Prostitution verkaufen, ist dies ein Ort der Hoffnung. "Früher habe ich mein Essen aus Abfalltonnen zusammengesucht", sagt Phu Nam. "Jetzt kann ich Mutter und Schwester unterstützen."

Phu Nam träumt inzwischen von einer großen Artistenkarriere. Weil sie begabt ist und zäh arbeitet, schickte sie der Zirkuschef für ein halbes Jahr nach Vietnam. In Hanoi konnte sie eine renommierte Zirkusschule besuchen. "Mein Vater war Trinker", sagt sie, "hat Mutter und uns Kinder verprügelt. Er war nicht wie ein normaler Vater." Und sie erzählt, wie die Leute sie verscheuchten, wenn sie die Abfalleimer durchwühlte, wie drogensüchtige Jugendbanden sie bestahlen. Aber ihre Stimme ist fest, sie kann lächeln.

Vorbereitungen für die Vorstellung im Zirkuszelt. Die Einrichtung ist eine Spende von der Französischen Zirkusvereinigung. Letzte Proben vor dem Auftritt. Khuon Det bekam Zeichenunterricht von europäischen Helfern, als er als Waise im Flüchtlingslager aufwuchs. Später gründete er sein eigenes Hilfsprojekt. Er ist der Beweis, dass Hilfe etwas bewirken kann. Phu Nam trainiert schon wieder. Mit zäher Energie. Ein Gemeinschaftsritual macht Mut: "Wir schaffen es."

Die Vorstellung beginnt. Verstrickt im Netz von Gefühlen und sozialen Verhältnissen, eine bittersüße Allegorie von Jugend im armen Kambodscha. Phu Nam liebt ganz offensichtlich auch das Schauspielern. Ganz große Kunst und Zirkusartistik mag das noch nicht sein. Aber der Zirkus bietet, was es für viele andere junge Menschen in Kambodscha noch nicht gibt: einen Ausweg.

http://daserste.ndr.de/weltreisen/gesic ... ns114.html
LG Tina
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