Rüdiger Probst

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Klaus
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Rüdiger Probst

Ungelesener Beitrag von Klaus » 07.07.2007, 00:49

Ich habe mich schon so häufig mit Rüdiger Probst unterhalten können, und er hat mir dann immer so offen und ehrlich alles erzählt, dass ich hier doch mal ein kleines Porträt von ihm zeichnen möchte.

Als Erklärung sei vorausgeschickt: Der ältere Rüdiger Probst, genannt "Schorsch", wohnt in Potsdam, ein Sohn von Ernst Probst, der in der DDR einst den Lizenz-Zirkus Sarani besaß. Dieser Rüdiger ist dieses Jahr mit seinen Pferden und Exoten bei Busch-Roland.

Bekannter ist der andere Rüdiger Probst, der Junior des Zirkus Probst aus Staßfurt. Als Ältestes der drei Kinder von Rudolf und Monika Probst wurde er am 20.04.1960 in Stendal geboren. Unter der strengen Anleitung seines Vaters wuchs er auf. Als dieser 1973 in der DDR aus politischen Gründen verhaftet wird, kommen die verbliebenen Tiernummern nach Polen ins Engagement. Rüdiger, damals 14 Jahre alt, muss helfen, da er besser als seine Mutter mit den Tieren umgehen kann. Er probt mit den Gruppen, macht die Stallarbeit. Der vielseitige Artist Edju Stichau, Absolvent eines Sportstudios, bildet ihn aus. "Früh morgens waren die Pferde zu putzen, war der Stall zu säubern. Abends, wenn andere Jungen in meinem Alter ins Kino gingen und sich amüsierten, haben wir trainiert und probiert", erinnert sich Rüdiger Probst an diese Zeit.

Seine artistische Begabung ist offensichtlich. Er beherrscht Rondat, Flic-Flac, Salto, Twist-Salto, Rad-Araber, Araber-Salto, alle glatten Sprünge und halben Pirouette-Sprünge. Diese Sprünge integriert er in seine Jockey-Arbeit. Einen besseren Jockey-Reiter als Rüdiger Probst hatte die DDR nie. Rüdiger springt den Salto von Pferd zu Pferd, zeigt (meist mit Mercedes, aber auch mit Maike) auf dem Pferderücken das Zwei-Personen-Hoch. Schließlich gelingt ihm der Doppelsalto vom Pferd aus zum Boden hin. Bis 1994 erleben wir die Probst-Reiterei im Programm: Rüdiger als Salto-Reiter, "Cedi" jongliert zu Pferd, Maike reitet Parforce, gemeinsam glänzen sie mit Sattelsprüngen. 23 Jahre lang hat Rüdiger "Jockey" gearbeitet. Heute spürt er es an seinen "Knochen".

Auch zu dressieren beginnt er früh. Mit 14 macht er für seinen Vater den ersten 6er-Zug fertig. Es folgen Ponys, Exoten und die erste Bären-Nummer. Nur vor Raubkatzen hat er "Bammel", von Kind an. Mal war ein Löwe aus dem Lauftunnel raus und hinter ihm her, mal biss ihn ein Wolf in den "Allerwertesten" – Kindheitserinnerungen der singulären Art. Als nach der Wende keine Dresseure aufzutreiben waren, übernahm Rüdiger (zunächst gemeinsam mit Mercedes) die Vorführung der Löwen-Tiger-Nummer, die Kalle Behring noch dressiert hatte. Aus den Nachzuchten dieser Tiere entstand die imposante Tigernummer, mit der Rüdiger seit 1997 sehr erfolgreich auftritt.

"Nichts ist so vergänglich wie der Erfolg von gestern", sagte mir Rüdiger mal. In seiner Jugend wollte er lieber Artist sein. Wer erinnert sich noch an den besten Jockey-Reiter der DDR? Inzwischen ist Rüdiger Probst auch als Tierlehrer im Raubtierkäfig ein Meister.
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Klaus
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Re: Rüdiger Probst

Ungelesener Beitrag von Klaus » 07.07.2007, 00:51

In einer der nächsten Ausgaben der "Circus Zeitung" wird dann vermutlich auch ein ausführliches Porträt mit zahlreichen Fotos erscheinen, das ich über Rüdiger Probst geschrieben habe. Grundlage hierzu war ein längeres Gespräch, das ich vor Weihnachten mit Rüdiger in seinem gemütlichen Heim in Staßfurth führen durfte. In diesem CZ-Beitrag wird Rüdiger dann auch selber häufig zu Wort kommen und seine berufliche Karriere kommentieren.

Rüdiger Probst – der hervorragende Parterre-Springer und Reiterakrobat, der Dresseur von Pferden, Exoten, Bären und Raubkatzen. Rüdiger Probst – der vielseitige Manegenkünstler guter alter Schule, ein Multitalent für die Manege, wie man es heute nur noch selten antrifft. Es hat mir Freude bereitet, darüber für die "Circus Zeitung" zu schreiben.
Viele Grüße
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Re: Rüdiger Probst

Ungelesener Beitrag von Klaus » 07.07.2007, 00:52

Rüdiger Probst wurde am 20.04.1960 in Stendal geboren.

Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte er 1970 in der Manege des elterlichen Zirkus Probst als Jockey-Reiter. Bei dieser Darbietung wirkten unter anderem auch seine Schwestern Mercedes und Maike, sowie Schwager Jörg mit und feierten als Geschwister Probst große Erfolge. Bis zum Jahr 1995 war Rüdiger Probst als Artist mit einer solchen Nummer tätig, die er im Lauf der Zeit ständig verbessern konnte. Der Salto von Pferd zu Pferd und der Salto auf dem Pferd waren die Höhepunkte seiner Darbietung. 1975 – 1980 zeigten die Geschwister Probst bei Engagements in Polen ihr Können.

In den 80er Jahren ritt Rüdiger Probst mit seiner Cousine zudem ein Pas de Deux auf kraftvollen Kaltblutpferden.

Seit 1981 ist Rüdiger Probst als Tierlehrer tätig. Zunächst begann er mit Ponys und Pferden. Bald darauf kamen schon Exoten und seine Bären dazu.
Besonders spektakulär ist, dass Rüdiger Probst seine Braunbären ohne Zentralkäfig vorgeführt hat. Es bedarf viel Einfühlungsvermögen diese unberechenbaren Raubtiere in einer facettenreichen Dressur so vorzuführen, dass sie sich spielerisch, erhaben und kraftvoll in der Manege bewegen.
Einen einzigartigen Trick zeigte Rüdiger Probst mit seiner Peggy. Die liegende Bärin hielt den auf Händen stehenden Artisten!
Bruni begeisterte mit ihrem Balancegefühl, lief im Handstand sogar eine Treppe hiAbsolutes Vertrauen zu ihrem Tierlehrer bewies die Braunbärin Grica, die sich gern mal auf den Arm nehmen ließ – oder besser: auf die Schultern.
Jerry war der Liebling der Kinder. Fast immer fing er den Ball, den ihm ein kleiner Logengast zuwerfen durfte.
Pat und Jimmy zeigten ihre Bärenkräfte und hielten die Balancierstange hoch, an der Rüdigers Assistentin ihr Können darbieten konnte.
Nach 20 Jahren beendete Rüdiger Probst Ende 2002 seine Karriere als Bärentrainer.

Rüdiger Probst`s Exotenzüge bildeten stets einen der Glanzpunkte im Programm des Zirkus Probst. Kamele, Lamas, Guanakos, Esel, Wasserbüffel, Yaks, Schottische Hochlandrinder, … immer andere Tiere in ständig neuen Kombinationen brachte und bringt Rüdiger Probst in die Manege.
Derzeit arbeitet er mit Kamelen, Lamas, Antilopen und Zebras. Die sechs Kamele eröffnen die Darbietung. Nach einer temporeichen Laufarbeit legen sie sich nieder für den Auftritt der sprunggewaltigen Lamas. Die Elenantilopen Laura und Felix bewegen sich dann mit unnachahmlicher Eleganz in der Manege. Sie sind derzeit die einzigen dressierten Exemplare in Europa. Trotz ihrer Größe absolvieren sie Sprünge und zeigen sich anschließend gemeinsam mit den Zebras. Der springende und steigende Lamahengst Oskar ist zweifellos Höhepunkt und Abschluss des aktuellen Exotenzugs.

Raubtiere der große Traum von Rüdiger Probst. Zunächst bekam er nicht die Chance Tiger oder Löwen vorzuführen. Doch das änderte sich 1992. Zu diesem Zeitpunkt begann Rüdiger Probst gemeinsam mit seiner Schwester Mercedes eine gemischte Raubtiergruppe vorzuführen. Diese Darbietung war zuvor von einem anderen hervorragenden Tierlehrer – Karl-Heinz Behring – dressiert und zusammen mit seiner Frau Kathleen gezeigt worden. Die Dressur beinhaltete die faszinierende Mischung von Tigern, Löwen, Bären, Ponys, Doggen und einem Ziegenbock.

Später stellte Rüdiger Probst eine neue Raubtiergruppe mit zwei Löwinnen und 4 Tigern zusammen. Diese führte er über viele Jahre erfolgreich mit seiner Schwester Mercedes vor. Sarah, Malindy, Tina, Taiga, Madras und Khan zeigten ein reiches Repertoire an Sprüngen und Pyramiden. Ein Höhepunkt dieser Darbietung war der Weitsprung der Löwendame Sarah, die eine Distanz von sieben Metern mit einem Satz überwinden konnte.

Seit 1998 arbeitet Rüdiger Probst mit seinen einzigartigen Sibirischen Tigern. Alle Tiere wurden im Zirkus Probst geboren und zum Teil mit der Flasche aufgezogen. Heute bringen die beeindruckenden Schönheiten einen unnachahmlichen Hauch von Exotik und Gefahr in die Manege. Und auch, wenn Rüdiger jeden seiner Tiger anfassen und auf einem sogar sitzen kann, sie sind und bleiben unberechenbare Raubkatzen. Die unterschiedlichen Sprünge, Pyramiden, Ablieger und Hochsitzer zeigen den hohen Leistungsgrad dieser Dressur. Im Moment sind acht Sibirische Tiger in der Probst-Manege zu bewundern. Amanda, die Schmusekatze, kuschelt gern mit ihrem Tierlehrer. Genauso gern treibt sie ihn aber auch zur Verzweiflung, weil sie ihren Dickkopf durchsetzen muss und nur das macht, was sie gerade möchte.
Artus ist ein lieber Tigerkater. Er und sein Bruder Khan sind die größten und mächtigsten Tiger der Darbietung. Während Artus zuverlässig ist und stets die gewünschten Abläufe zeigt, ist Khan dagegen ein Draufgänger, der seinen Tierlehrer gern einmal herausfordert. Das nutzt Rüdiger Probst geschickt für den Schlusstrick, bei dem sich der riesige Khan drei Meter hoch aufrichtet.
Dava ist Khan`s kleine Schwester und ebenfalls hin und wieder recht angriffslustig.
Raika ist die verspielteste Katze und springt auch gern mal einem ihrer Geschwister in den Rücken oder zwickt die in den Schwanz.
Baikal ist ein ruhiger Tigerkater. Auf Kommando springt er gleichzeitig mit Rocky so ab, dass dass sich die beiden Tigerin der Luft kreuzen. Zweifellos ein Höhepunkt der Darbietung.
Rocky ist ein sehr sensibler Tigerkater und Vater der jüngsten Tiger: Taiga, Kira und Rani.
Während Taiga bereits mit in der Manege zu sehen ist, lernen ihre jüngeren Schwestern noch mit unendlich viel Geduld und Fleischstückchen, den Gesten und Worten ihres Dompteurs zu folgen.

Jedes Tier ist einzigartig in seinem Wesen und seinen Fähigkeiten. Die Aufgabe des Tierlehrers ist es, Stärken zu erkennen und zu fördern, was Rüdiger Probst meisterlich beherrscht.

Egal ob Pferde, Exoten, Bären oder Raubkatzen - Jahre der Arbeit und stetige Proben sind nötig, bis eine Dressur so ausgereift ist, dass sie in der Manege dem Publikum präsentiert werden kann.

http://www.ruediger-probst.de/
Viele Grüße
Klaus
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Re: Rüdiger Probst

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 27.05.2017, 22:59

Die Ungebändigten
Der Zirkus hat Generationen von Menschen verzaubert. Aber dieser Sehnsuchtsort, dieses kulturelle Sinnbild für ein freies, nicht sesshaftes Leben hat wohl keine Zukunft mehr.

Stassfurt. Am Ende geht der Vagabund ins Ungewisse, und die Wiese liegt verlassen da. Vom Zirkus bleibt nur eine Wagenspur im Gras. Vor einem Menschenalter, als wagemutige Artisten und Dompteure in immer größeren Manegen von sich reden machten, fing Charlie Chaplin die Leidenschaft und die Melancholie des Zirkusdaseins in dem Film "The Circus" ein. Dafür bekam er einen der zwei Oscars seines Lebens.

Deutschland bewunderte damals einen Raubtierdompteur namens "Kapitän Schneider", der mit 60 und mehr Löwen alle Dressurrekorde brach. Und es wuchs der auf Reisen in einem Wohnwagen geborene Rudolf Probst heran, der nach dem Krieg in Dessau-Großkühnau seinen eigenen Zirkus gründen würde.

Das Zirkusleben folgt Zyklen, beschreibt Kreise wie das Manegenrund. Aufbau und Abbau, Wegfahrt und Wiederkehr, von den Eltern auf die Kinder. Das ist der Takt. Für Zirkusmenschen wie Rüdiger Probst ist es noch mehr - die natürliche Ordnung. Und der Zirkus das Theater des kleinen Mannes: ehrlich, sauber und schön. Etwas, das seinen Platz in der Welt und Respekt verdient.

Sein Leben.

Die Schöpfung des Vaters Rudolf, der Privatzirkus Probst, war eine Legende hierzulande und nach der Wende der beliebteste Ost-Zirkus, mit eigener Fernsehserie. Der frühere DDR-Staatszirkus wurde gefleddert, die Stars wurden entlassen, die Tiere auf Zoos verteilt. Aber Probst galt als der, der es schaffen würde, der die Traditionen wahrt und die Geschichte weiterschreibt. Mit aufwendigen, handverlesenen Spitzennummern, Sibirischen Tigern, prachtvollen Pferdezügen und einer Haustierrevue, die den Olymp der Zirkuswelt erreicht: die Auszeichnung beim Internationalen Zirkusfestival in Monte Carlo.

Doch heute ist dieser Zirkus tot.

Es gibt ein Sterbedatum: der Abschied am Stammort in Staßfurt. Rüdiger Probst, der Tigerbändiger und Stammhalter, stand am 15. November 2014 zum Finale in der Manege und erntete einen Beifallssturm, von dem er ahnte, dass er dieses Mal nicht wiederkehren würde. Die Familie, die durch dick und dünn gegangen war, entzweite sich über den weiteren Weg. Ein Weihnachtszirkus kam nicht zustande, die nächste Sommertournee wurde abgesagt. Im März 2015 starb Rudolf Probst, hochbetagt, er hatte das Drama nicht mehr miterlebt. "Es ist im Nachhinein, als ob mein Vater den Zirkus mit ins Grab genommen hätte", sagt Rüdiger Probst. "Mir kam das vor wie ein gestrandeter Wal. Jeder rupft ein Stück heraus. Gefallene Helden feiert niemand mehr."

Mehr unter: http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/T ... 914422.php
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