Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

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Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 19:51

Im früheren Forum von CIRCUSWORLD.DE stellten 2004 verschiedene Personen Fragen an den erfahreren Dresseur Othmar Vohringer, der damals als Abschluss seiner langen Laufbahn als Tierdresseur 25 weisse Tiger in einem Freizeitpark China dressierte.

Diese Fragen in anonymisierter Form mit Othmars Antworten werden nun neu hier eingestellt, da diese unverändert aktuell sind.
Sie bieten präzise Antworten für alle, welche ein ehrliches Interesse an Tierdressur haben.
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 19:52

Frage an Othmar:
Woran erkannt man bei Tigern, ob diese männlich oder weiblich sind ?
... und wie alt werden Tiger in der Natur und im Circus ?


Antwort von Othmar:
Maennliche Tiger sind normalerweise etwas groesser, haben einen massigern Kopf und laengere Haare am Hals, Nacken und Backen.
Aber es gibt ein Zeichen das unmissverstaendlich ist und sofort sichtbar fuer jeden. Das naechste Mal wenn du einen Tiger siehst, werf mal einen diskreten Blick an den Schwanzansatz, da haengt was drunter beim maennlichen Tiger, "ES" ist unuebersehbar!!
In Gefangenschaft ist es keine Seltenheit dass Tiger 20 bis 25 Jahre alt werden.
In freier Wildbahn ist das Hoechstalter um die 10 bis 12 Jahre. Der Grund dafuer ist, dass das Leben im "Paradies" sehr hart und voll von Gefahren ist.
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 20:04

Frage an Othmar:
Ab welchem Alter beginnst Du bei Tigern oder anderen Raubtieren mit der Dressur ? Arbeitest Du lieber mit Wildfängen, Zuchttieren oder mit "Flaschenkindern" ?

Antwort von Othmar:
Das ist eine gute Frage die ich schon oft gefragt wurde.
Persoenlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass Raubtiere mit 2 Jahren die noetige "Intelligenz" besitzen um richtig zu lernen. Natuerlich kann man schon frueher damit beginnen, aber ich habe immer wieder erfahren, da,s jungere Tiere nicht so aufnahmefaehig sind. Natuerlich ist es einfacher mit einem sehr jungen Tiger Freund zu werden, aber mit der ernsthaften Dressur beginne ich wie gesagt, wenn der Tiger 1 1/2 bis 2 Jahre alt ist.
Man schickt ja auch kein Kindergartenschueler aufs Gymnasium.
Als ich anfing Raubtiere zu dressieren hat es noch einige Wildfaenge gegeben. Es hat jeweils lange gebraucht um deren Freundschaft zu gewinnen. Aber wenn es soweit war, haben sie schneller gelernt. Der Grund dafuer war, dass ich der einzige Mensch war, der mit diesen Tieren gearbeitet hat.
Tiere,, die durch viele Haende gehen lernen manchmal "Unarten", die dann schwer abzugewoehnen sind. Jedoch spielt es keine Rolle ob es Wildfaenge, Zuchttiere oder "Flaschenkinder" sind, solange wie sie nicht von zu vielen Menschen gehandhabt werden.
Es muss ja nicht die Absicht sein, dass Menschen Tiere falsch behandeln, aber in der Dressur kann sich eine solche Behandlung nachteilig entwickeln.
Auch ist es so, dass Tiere unter falscher Behandlung zu "luegen" lernen, also man sich nicht mehr so ganz genau ihrem natuerlichen Verhalten vertrauen kann.

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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 20:06

Frage an Othmar:
Deine besondere Liebe gilt den Tigern und wie Du mir mal schriebst, hast Du in Deinem Leben über 250 Tiger dressiert.
Das werden sicher die verschiedensten Tigerarten gewesen sein.
Kannst Du Unterschiede im Verhalten und in der Dressur beobachten zwischen Bengalischen Tiger, Sibirischen Tiger, Weissem Tiger oder anderen Tigerarten ?


Antwort von Othmar:
So viel verschiedene Arten von Tigern habe ich nicht dressiert, da der meist verbreitete Tiger der Bengal Tiger ist oder wie er auch etwas bombastisch genannt wird “Koenigs Tiger”.
Auch was manchmal im Zirkus als Sibirische Tiger ankuendigt wird entpuppt sich beim naeheren Hinsehen als Bengale. Jedoch gibt es viele Kreuzungen zwischen Bengal Tigern und anderen Tigerarten in einem solchen Masse, dass es heute fast unmoeglich geworden ist einen reinrassigen Tiger zu finden.
Vor vielen Jahren habe ich mal einen reinrassigen Sumatra Tiger dressiert, diese Tiger sind etwas kleiner als der normale Tiger und die Farbe geht fast schon ins roetliche braun.
Dieser Tiger war ein kleiner Teufel der auch sehr stur sein konnte und immer besondere Geduld abverlangte von mir. Lange Zeit dachte ich das dies ein Einzelfall war, habe dann aber spaeter gehoert, dass diese Tiger tatsaechlich so veranlagt sind.
Auch habe ich reinrassige Sibirische Tiger dressiert, von denen man auch sagt, dass sie besonders gefaehrlich sind, jedoch konnte ich keinerlei Feststellungen diesbezueglich machen. Diese Tiger waren vieleicht schneller reizbar und nervoeser als andere, aber sonst waren sie “normal”. Das Selbe gilt fuer Weisse Tiger.
Im Grossen und Ganzen muss ich jedoch ausdruecklich betonen, dass dies blosse Pauschalierungen sind, viel wichtiger ist das Einfuehlungsvermoegen des Tierlehrers. Jedes Tier hat seinen ganz persoenlichen Charakter und Eigenschaften die man beruecksichtigen muss. Es ist immer untauglich in der Tierdressur zu sagen, “das ist diese Tierart und die muss so behandelt werden”. Ich habe Tiger dressiert von der selben Gattung, weil ich mit dem einen streng sein konnte, musste ich einen anderen ganz behutsam behandeln. Ein Tiger springt aufs Postament am ersten Tag als sei das die einfachste Sache der Welt, weil ein anderer sich benimmt als waere es eine Reise zum Mond. Das kommts aufs Verstaendnis und Fingerspitzengefuehl des Tierlehrers an.
Auf der anderen Seite spielt auch die Verfassung des Tierlehrers eine grosse Rolle. Es gibt Tierlehrer die halten Tiger fuer sehr viel gefaehrlicher als Loewen, wiederum andere finden Tiger viel freundlicher als Loewen.
Ich persoenlich liebe Loewen aber lasse lieber andere damit arbeiten, ich bin eine Tigerperson. Ich finde Tiger viel besser um zu arbeiten als Loewen.
So, Du siehst es kommt gar nicht so darauf an was fuer eine Tigerart man dressiert and dessen Veranlagung, sondern viel mehr wie man es versteht sich einzufuehlen in die Tiger und deren induviduellen Persoenlichkeiten. Dies trifft natuerlich auf alle Tiere zu, nicht nur Tiger. Aber auch die persoenliche Einstellung zu einer Tierart spielt eine grosse und oft unterschaetzte Rolle. Ich habe Vorurteile gegen Loewen und deshalb lasse ich die Finger davon, weil sich diese Vorurteile bei meiner Arbeit einschleichen wuerden, was wiederum sich negativ auf meine Behandlung der Tiere auswirken koennte. Jedesmal wenn ich Tiere dressiere, seien dies Tiger, Pferde, Elefanten oder Exoten versuche ich keine Vorurteile zu formulieren, sondern nehme jedes Tier als eigene Persoenlichkeit.

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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 20:08

Frage an Othmar:
Muss man nicht selber ein "Tiger" sein, um wie ein Tiger denken zu können.
Ich habe einige gute Dresseure kennengelernt, die alle etwas "katzenhaftes" an sich hatten.
Wie stark oder tief ist für dich die Identifikation mit deinen Tieren? Denkst du aus deren Hirn heraus oder wie stellst du dich auf das einzelne Tier ein. Ist das eine Art von Meditation oder bist du eine Art Verhaltensforscher, der seine Tiere einfach nur intensiv beobachtet.
Wie gehst du mit Tieren um, zu denen du keinen Zugang findest? Nimmst du diese dann aus der Dressur heraus oder wie gehst du mit solchen schwierigen Tieren um ?


Antwort von Othmar:
Du hast schon ganz recht mit deiner ersten Frage. Man muss selber zum Tiger werden, um die Tiger vestehen zu koennen. Das heisst, man muss sich in das Tier hineinversetzen und versuchen, die Welt mit seinen Augen zu sehen. Aber es ist auch so, das wenn man ueber viele Jahre mit einem Tier oder Tieren zusammenlebt, nimmt man deren Eigenschaften an. Da ist etwas sehr wahres am Ausdruck: “Das Herrchen gleicht dem Hund”. Mir wird auch oft gesagt, dass ich etwas “katzenhaftes” an mir habe und es ist eben aus diesem Grund. Wie ich anderswo in diesem Forum schon erwaehnt habe, habe ich von meinen Tieren sehr viel gelernt uebers "Mensch sein", auch hat es in mir schlummernde “Instinkte” wachgerufen, die wir alle besitzen, aber nicht mehr gebrauchen in der modernen Welt.
Zu deiner zweiten Frage: Ich bin ein Verhaltensforscher in diesem Sinne, dass ich mir voll bewusst bin, das Tiere ueberhaupt gar nichts machen, nur weil diese Spass daran haben oder aus “Lust und Laune”. Tiere haben immer einen Grund fuer alles was sie machen oder wie sie sich verhalten. Ein Tier sagt also nicht wie ein Mensch: “Oh lass uns diesen Weg gehen, er ist gemuetlicher”. Auch “reden” Tiere nicht nur um zu plaudern; wenn sie reden, haben sie einen guten Grund dafuer. Aus dieser Erkenntnis weiss ich, dass wenn immer ein Tier sich in einer bestimmten Art verhaelt oder sich verbal aeussert, will es mir etwas mitteilen. Aber was will das Tier mir mitteilen? Was hat ein bestimmtes Verhalten zu bedeuten? Es sind diese Fragen, aber auch meine Neugierde und mein tiefer Glaube, dass man mit Tieren kommunizieren kann, die mich immer bewogen haben, meine Tiere genau zu studieren und Fragen auf meine Antworten zu finden. Ueber die vielen Jahre habe ich also die “Tigersprache” bestens gelernt und daher ist es mir heute moeglich “Gedanken zu lesen” oder wie Du es schreibst “…aus deren Hirn heraus…”. Dazu muss man auch wissen, dass Tiere niemals etwas machen - gut oder boese - , wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Tiere geben ganz klare Anzeichen Ihrer Absichten, lange bevor sie zur Tat oder Missetat schreiten. Hat man gelernt, deren Absichten zu “lesen”, kann man die noetigen Gegenmassnahmen treffen, lange bevor es ein Problem gibt, indem man den “Grund” behebt oder indem man das Tier beeinflusst, je nachdem ob es ein gewuenschtes oder unerwuenschtes Verhalten ist.
Wenn ich mit meinen Tieren arbeite, bin ich in einer anderen Welt, in der die menschliche Welt und deren Sorgen nicht existieren. Am Anfang meiner Karriere war das nicht immer ganz einfach und ich musste mich einem Konzentrationsritual unterziehen. Jedoch ueber die vielen Jahre habe ich diesen Prozess auf wenige Sekunden reduziert. Sobald hinter mir die Eisentuere des Zentralkaefigs geschlossen wird, bin ich in dieser anderen Welt in der es fuer mch nur Tiger und meine Arbeit gibt, ich nenne das “Die Tigerwelt”. Die Konzentration ist so stark, dass ich alle anderen Gefuehle wie Schmerz oder Trauer “vergesse”. Es ist eine glueckliche Welt, in der ich vollkommen ruhig und gelassen bin, in der es weder Zeit noch Hetzerei gibt. In der Tat habe ich noch nie meine Nerven gereizt oder bin ins Schwitzen gekommen wegen dem “Nervenkitzel”. Auch bin ich nicht im Kaefig, um mir oder anderen etwas zu beweisen, sondern weil es mir aufrichtig Spass macht, mit den Tigern zu arbeiten. Fuer manche erscheint das vielleicht komisch oder unglaubwuerdig, aber es ist eine Tatsache, dass fuer mich der Zentralkaefig ein Platz der Geborgenheit ist, den ich oft aufsuche wenn ich alleine sein will oder meine Gedanken erfrischen muss. Da sitze ich dann stundenlang, manchmal ohne Tiere oder mit einem mir speziell vertrauten Tiger. Auch mache ich mir keine Sorgen wie manch andere Kollegen, die manchmal sich Sorgen machen, wenn ein Tiger schlechte Laune hatte am Vortag. Jeder Tag, jede Probe und jede Vorstellung ist ein Neubeginn und sollte es Probleme geben, werde ich diese bewaeltigen. Aber ich mache mir keine Sorgen darueber im Voraus.
"Wie gehst du mit Tieren um, zu denen du keinen Zugang findest?"
Gute Frage! Auch hier gibt es Kollegen die denken, dass man mit einem Tier arbeiten muss, egal ob es ansprechbar ist oder nicht, diese Tiere nennt man in der Tierlehrersprache “Schwierige Tiere”. In meiner Karriere habe ich es nur zweimal mit Tigern erlebt, dass ich absolut keine Beziehung zu dem Tier herstellen konnte. Dasselbe ist mir geschehen mit vier Pferden, einem Elefanten und einem Nashorn. Wie oben schon erwaehnt, will ich nicht mit meiner Arbeit mir oder anderen etwas beweisen. Sollte ich trotz all meiner Bemuehungen nicht in der Lage sein, einem Tier zu verstehen zu geben, dass ich sein Freund sein will, dann werde ich mit diesem Tier erst gar nicht anfangen zu arbeiten. Dasselbe gilt, wenn ein bereits von jemand anderem dressiertes Tier mich nicht als “Obertiger” anerkennen will. Sollte ein Tier -aus was auch immer fuer Gruenden- “unzuverlaessig” werden, wird es sofort aus der Nummer herausgenommen, ohne Pardon und "Wenn und Aber". Ich bin felsenfest davon ueberzeugt, das diese Taktik mir schon viele Verletzungen erspart hat, aber auch Kummer und Sorgen um mich und die anderen Tiere. Die einfache Tatsache hier ist -genau wie bei Menschen- wenn ein Tier, das keine Beziehung zu mir hat oder aus was auch immer fuer Gruenden mich nicht mehr als “Obertiger” anerkennen will und trotzdem meinem “Kommando unterstellt” ist, wird es ueber kurz oder lang zu Reiberein kommen, die fuer mich oder andere Tiere verheerende Folgen haben koennten. Mein Beruf ist gefaehrlich genug, ohne das ich mich noch zusaetzlichen Gefahren aussetzen muss. Ein Tierlehrer muss nicht nur Geduld haben und ausdauernd sein, er muss auch ehrlich mit sich selber sein und sagen koennen: “Ich kann das nicht machen”. In einem Fall habe ich mich von einem Tiger trennen muessen, der so unberechenbar wurde, dass es zu einer Lebensgefahr fuer mich wurde. Jedoch ein anderer Tierlehrer, der diesen Tiger gekauft hat, weil er “Gefaehrliche Tiger liebt”, kommt mit diesem Tiger sehr gut aus. Tiger wie alle Tiere, sind Persoenlichkeiten. Als solche haben sie ihre Vorlieben und Abneigungen gegen andere Tiere und Menschen, die nicht unbedingt eine Charaktersache darstellen muessen. Mir ist auch nicht jeder Mensch gleich lieb, einige liebe ich, andere weniger und andere wiederum sind mir gleichgueltig - ohne besonderen Grund.

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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 20:10

Frage an Othmar:
Hiermit möchte ich Ihnen zwei Fragen, die ihre Arbeit mit den schönen Katzen betreffen, stellen:
(1) In einem Ihrer Artickel beschreiben Sie schon sehr detailliert, wie ein Tiger lernt platzsicher zu werden. Wie aber bringt man Großkatzen die komplizierteren Bewegungsabläufe bei, welche zum Repertoire vieler Raubtiernummern gehören wie z.b. die Rolle oder das übereinander springen ? Wie vermittelt man Tieren die den Tierlehrer vieleicht nicht so nah an sich herankommen und sich berühren lassen, was man von ihnen will, und woran erkennt der Terlehrer, daß er auf dem Weg zum Erfolg ist ? Handelt es sich meist um einen plötzlichen Durchbruch ("Jetzt hat er´s kapiert !") oder sind es viele kleine Signale, die ihnen zeigen, daß sie entweder auf dem richtigen Weg sind oder daß es bei diesem Schüler wohl leider nichts wird ?
(2) Wie bekommt man die Situation wieder unter Kontrolle, falls es bei
einem Auftritt einmal ganz und garnicht so klappt, wie es sich der Tierlehrer vorstellt. Z.b. ein Tiger arbeitet nicht, gleichzeitig verlässt ein weiterer ungefragt seinen Platz und beginnt mit einem "Kollegen" zu raufen, was sich ja dann wohl auch sehr schnell auf alle anderen ungünstig auswirken kann. Gibt es Leitregeln, wie man aus einer dergestalt schwierigen Situation doch noch einen ganz gescheiten Auftritt hinkriegt ? Ich kann mir auch vorstellen, daß man sich zunächst einmal selbst dazu "erziehen" muß in einer dergestalt gefährlichen Situation die Theorie welche man sich einmal angeeignet hat auch anzuwenden.
Vielen Dank für ihre Bemühungen u. weiterhin Manege frei für den Circus- natürlich mit Tieren.


Antwort von Othmar:
Eigentlich wollte ich schon seit einiger Zeit mehr Artikel ueber Tierdressur schreiben und wie’s gemacht wird. Aber leider hatte ich eine Blinddarm Operation (nichts schlimmes) aber es gab Komplikationen von denen ich mich bis heute noch nicht ganz erholt habe. Daher mein Rueckstand im Schreiben.
Im Folgenden werde ich in zwei Teilen auf Ihre Fragen antworten. Es scheint mir wichtig, dass Dressurfragen gruendlich beatwortet werden und nicht einfach pauschal. In der Tierdressur gibt es viele Varianten zu beachten die alle beruecksichtigt werden muessen.
Meine Antwort wurde den verfuegbaren Platz hier sprengen daher die Antwort in zwei Teilen.

1. Grundsaetzlich ist die Dressur ein Lernen von vielen kleinen Bewegungsablaeufen, die dann mit der Zeit zu einem Bewegungsablauf werden. Um das Beispiel der “Rolle” aufzugreifen. Dies ist ein Bewegungsablauf, der sich aus Einzelbewegungen ergibt, die alle separat erlernt werden.
Zuerst lernt der Tiger, sich an einem bestimmten Ort hinzulegen. Dies erreicht man, indem dem Tiger mit einem langen Holzstock ein Stueck Fleisch zwischen die Vorderbeine geschoben wird. Um das Fleisch zu erreichen, muss sich der Tiger hinlegen, dabei wird immer das Kommando “Down” ausgesprochen. Wenn der Tiger am Boden liegt, werden ihm Fleischstuecke vor den Mund geworfen, alle Raubtiere essen liegend. Spaeter wird das Fleisch ersetzt und ich beruehre nur noch den Vorderfuss mit dem Holzstock und sage “Down” und das Tier wird darauf reagieren. Dieser Lernprozess kann mehrere Tage oder Wochen dauern, je nachdem wie “intelligent” das Tier ist.
Nun hat der Tiger gelernt ,sich auf Kommando an den gewuenschten Ort hinzulegen. Der naechste Schritt ist, ihm beizubringen, sich auf die Seite zu legen. Dafuer gebrauche ich verschiedene Methoden. Die jeweilige Methode wird vom Tier bestimmt. Nicht alle Tiere reagieren gleich auf Ermunterungen.
Um den Tiger auf die Seite zu legen, veranlasse ich ihn, seinen Kopf soweit zurueck zu wenden, dass er keine andere Wahl hat, als seinen Koerper seitwaerts zu drehen. Dies wird erreicht, indem ich dem Tiger mit einem langen Holzstock ein Stueck Fleisch vors Maul halte. Während er sich diesen Brocken schmecken laesst, halte ich einen zweiten Fleischstock mit einem Leckerbissen dicht an die Schulter. Um diesen Fleischbrocken zu erreichen, muss der Tiger seinen Kopf so weit zurueckdrehen, dass der Koerper zur Seite weicht und somit liegt der Tiger auf den Rippen.
Einige Tiger moegen das aber nicht machen, in diesem Fall werde ich den Tiger mit einer langen Reitgerte die ein “Bueschel” hat zum Spielen, anregen. In diesem Fall stehe ich hinter dem Tiger und werde ihn an der Schulter kitzeln mit der Gerte. Wenn er versucht, die Gerte im Spiel zu erhaschen, muss er wiederum den Kopf so weit zurueckdrehen, dass sein Koerper zur Seite faellt. Zwischen diesen beiden Methoden habe ich manche Varianten und Kombinationen entwickelt. Bei den Proben werde ich in kurzer Zeit herausfinden, welche Methode oder Variante der Tiger lieber mag.
Es ist mir immer daran gelegen einen Weg zu finden, um einem Tier meine Absichten verstaendlich zu machen. Ich habe mich noch nie an ein Schema gehalten wie: “So wird es gemacht”, bei mir wird es so gemacht, dass das Tier es verstehen kann und Freude empfindet dabei. Freudige Tiere lernen sehr schnell, weil sie im Spiel lernen, also ohne es zu wissen.
Der Tiger kann sich nun auf Befehl hin- und zur Seite legen. Der naechste Schritt ist, ihm zu verstehen zu geben, das er “Rollen” soll. Die Methoden dafuer sind die selben wie beim zur Seite legen, nur mit dem Unterschied, das ich dem Tiger das Fleisch nicht gebe, sondern wegziehe von ihm parallel zum Boden. Um das Fleisch zu erreichen, muss sich der Tiger um de eigene Achse rollen. Nach vielen Wochen oder Monaten wird der Tiger diesen Trick auf Befehl ausfuehren.
Wie viele Schritte noetig sind, ist am besten ersichtlich bei den Kommandos die ich gebrauche. “Come here”, “Lay down”, “Side”, “Ready”, “Roll”, “Hold it”.
Beim Huerden-springen ist es dasselbe. Erst lernt der Tiger, bequem ueber eine niedrige Holzlatte zu laufen, die sich dann mehr und mehr erhoeht. Schlußendlich wird neben dieser Huerde ein Tiger stehen, der schon gelernt hat, im separaten Unterricht ruhig zu stehen, weil zwei Helfer von mir einen Sack voll Saegespaene sich ueber den Tiger hin und her geworfen haben, um den Tiger daran zu gewoehnen, das etwas ueber ihn hinweg fliegt. Die Huerde steht auf der Seite des “Huerdentigers” von der der Springer kommt. Dies gibt beiden Tieren ein Gefuehl von Sicherheit. Der Springer kann sehen, das er ueber seine ihm vertraute Huerde springt und der andere Tiger fuehlt sich sicher, weil ein Versteck zwischen ihm und dem springenden Tiger steht. Wenn die Tiger mit der Sache mehr und mehr vertraut sind, verringert sich die Höhe der Huerde, bis sie ganz weggelassen wird.
Grundsaetzlich kann gesagt werden, dass jeder Trick, den Sie im Zirkus sehen, in vielen Einzelteilen einstudiert wird und dann werden diese Teile langsam zusammengefuegt, bis es eben den Trick ergibt. Es ist aehnlich wie bei uns Menschen, erst lernen wir ein paar Buchstaben als Zeichen, dann ein Wort zu schreiben, spaeter werden daraus Saetze und noch spaeter Paragraphen.
Persönlich mag ich lieber Tiger, die nicht so zahm sind, das man sie anfassen kann. Zahme Tiger sind gefaehrlicher, da sie ihre kritische Distanz auf Null verringert haben, auch wissen sie, dass der Mensch nicht stark ist. Ein nicht handzahmer Tiger hat eine kritische Distanz und einen natürlichen Respekt vor Menschen, auch lernen diese Tiger besser, da sie, ungleich ein zahmer Tiger, nicht immer nur Spielen wollen. Mann muss ja Tiger und andere Raubtiere nicht anfassen wie Pferde, Elefanten und Exoten bei der Dressur. Raubtiere werden mit ein paar wenigen Ausnahmen auf Distanz dressiert. Das heisst, sie lernen, langen Fleischstuecken nachzulaufen und achten auf Zeichen, die mit der Peitsche oder Stocke gegeben werden. Aber auch die Koerpersprache, die bei Menschen und Tieren fast dieselbe ist, wird benutzt, um Tigern Mitteilungen zu machen.
Der “Jetzt hat er’s kapiert!” Effekt gibt es so nicht - weder bei Menschen noch bei Tieren. Es ist viel mehr ein langsamer Prozeß, indem man jeden Tag dem Erfolg etwas naeher kommt. Aber natuerlich gibt es Anzeichen, die einem sagen “Aha”. Diese sind, dass ein Tiger nicht mehr so verwundert um sich sieht, er ist nicht mehr nervös, sondern streckt neugierig seinen Hals, wenn er sieht, das seine Postamente bereitgestellt werden.
Natuerlich gibt es auch Tiger, die sehr intelligent sind und wiederum andere die “dumm” sind. In den Proben wird sich schnell herausstellen, welche Tiger welche Veranlagung haben. Auch gibt es verschiedene Talente unter den Tigern. Alle meine Tiger lernen am Anfang dasselbe, somit erfahre ich sehr schnell, wo die Talente liegen und diese foerdere ich dann. Es gibt aber auch Tiger, die wollen oder koennen nicht viel lernen, solche Tiger werden dann “Platzwaermer” (von meinen 25 Tigern arbeiten nur 11 sehr viel, die anderen machen die Nummer gross) oder ich lasse sie ganz aus der Dressur und sie duerfen sich mit den Tigerfrauen vergnuegen, da sind sie alle sehr gut!!!

2. “Wie bekommt man die Situation wieder unter Kontrolle?” Das beste ist, erst gar keine Situationen aufkommen zu lassen. Wenn man seine Tiere genau beobachtet, kann man sehr schnell erkennen, was die Tiere im Schilde fuehren und einer etwaigen Situation vorbeugen.
Einen “Raufbold” setze ich immer neben einen starken Tiger, somit hat er immer die Beschäftigung, seinen Nachbar zu beobachten und kommt gar nicht auf die Idee mit andern zu streiten. Sollte es doch mal vorkommen, dann hat der Tiger immer noch einen natürlichen Respekt vor mir. Da ich mit meinen Tigern immer freundlich spreche, bleiben sie oft wie vom Donner gerührt stehen, wenn ich den Missetäter aus vollem Halse anbrülle (man sagt, meine Stimme kann ueber weite Distanzen klar gehoert werden). Diese Verdutztheit benutze ich, um dem Tiger sofort Kommandos zu geben, das er an seinen Platz gehen soll, dabei renne ich schnell zu ihm und knalle laut mit der Peitsche, auch das hoeren die Tiger sehr selten von mir.
Sollte der Tiger wider alle Erwartungen nicht beeindruckt sein davon, kriegt er einen Hieb mit dem Stock auf den Hintern. Das gab es aber nur dreimal in all den Jahren wo ich Tiger dressiere.
(Ich kann es schon hoeren von einigen, der arme Tiger. Auch Tiger hauen sich ganz ordentlich mit ihren scharfen Krallen und verletzen sich sogar zum Teil schwer. Ein Klaps mit meinem Stock ist dagegen nichts, aber es floesst ihm Respekt ein, weil er das von mir nicht gewohnt ist.)
Es hat aber auch schon Tage gegeben, an denen ich einen Tiger in sehr schlechter Laune vorgefunden habe und mich kurz entschlossen habe: “Der spinnt, er hat heute einen freien Tag”. Es gibt eine alte “Regel”, der viele Tierlehrer heute noch nachgehen, das man immer einem Tier den “Herrn” zeigen soll und das ist falsch. Bis heute habe ich mich mit einer einzigen Ausnahme bei jedem Tiger “durchgesetzt” und ich denke vieles hat damit zu tun, weil ich nicht so “verbissen” bin, ich nehm’s locker und gemuetlich, ohne das “muss” jetzt aber gehen. Ich respektiere Tiere und ihre Launen und Charakter und nehme darauf auch Ruecksicht.
Gott sei dank kann ich sagen, dass es in der Tierdressur noch keine sogenannten “Regeln” gibt, falls sie damit meinen etwas das aehnlich einem Gesetz ist. “Regeln” liebe ich nicht, denn sie verhindern oft mehr, als sie nuetzen. Es gibt schon viel zu viele Regeln und Gesetze und ich wehre mich sehr stark dagegen, das unser Beruf organisiert oder reguliert werden soll. Tiere dressieren ist nicht wie Kochen wo es heisst “Man nehme..”
Tiere dressieren ist eine Gefuehlssache und ich habe immer die Erfahrung gemacht, dass keine Situation gleich ist wie eine andere. Daher muss jede Situation entsprechend behandelt werden. Was richtig ist, muss der Tierlehrer in diesem Moment entscheiden. Ob die Entscheidung richtig war, haengt von der Erfahrung des Tierlehrers ab, aber auch davon, wie sehr er sich bemueht seine Tiere und Situationen zu studieren. Handelt er nach Regeln wie “So hat das mein Vater gemacht” dann kann es sehr boese enden. Ein Tierlehrer muss immer denken und sich pausenlos konzentrieren, aber auch die Verfassung haben aus allem blitzschnelle Zuege zu ziehen. Interessanterweise kam mein beruflicher Durchbruch genau in diesem Moment, als ich alle “Regeln” aus meinem Kopf verwiesen habe. Seither gibt es nur noch eine “Regel” fuer mich. “Studiere deine Tiere und sie werden dir sagen, wie du es machen musst”. Eine neuere “Regel”, die ich hier in China meinen Studenten sage ist : “Bemuehe dich nicht, dass das Tier dich versteht sondern bemuehe dich, dich dem Tier verstaendlich zu machen”. Das heisst man muss denken und Antworten auf Fragen suchen. Tiere machen keine Fehler, der Mensch macht Fehler und das Tier reagiert darauf.
Wie Sie richtig erkannt haben, in der Tierdressur beginnt und endet alles mit dem Tierlehrer. Es ist der Tierlehrer, der immer lernen, beobachten und Schluesse ziehen muss. Es ist der Tierlehrer, der lernen muss, seine Gefuehle und Emotionen unter Kontrolle zu haben unter allen Umstaenden. Ein guter Tierlehrer sieht in den Spiegel wenn er “Schuldige” sucht und nicht seine Tiere, Arbeiter oder seine Frau.
Sollte eine Vorstellung nicht klappen, das kommt öfter vor den manche denken, dann “lüge” ich. In diesem Fall kommt mein, wie viele sagen, enormes Talent als “Showman” zum Zuge, bis heute habe ich noch jede Vorstellung so ueber die Runden gebracht, das es tosenden Beifall gab. Ich lasse einfach alles so aussehen, als muesste es so sein oder mache Spass bei dem “Bloedsinn”. Fuer viele Tierlehrer ist es beschämend, wenn ein Tier sein “Geschaeftchen” macht oder ein “Fehler” geschieht in der Manege und sie lassen es sich anmerken. Ich mache einen Scherz daraus. Einmal hatte ich meinen guten Spass mit einem Haufen Elefanten Dreck in der Mitte der Manege, der die Leute zu wahren Lachstuermen hinriss. “Weitermachen und nichts anmerken lassen” ist meine “Regel” hier. Oder es ist besser ich lache mit dem Publikum, als diese über mich.
Dies ist eine sehr lange Antwort zu sehr guten Fragen und ich bedanke mich dafuer bei Ihnen. Solche Fragen liebe ich zu beantworten mit freudigem Herzen. Es gibt Menschen einen Einblick in meine Arbeit und hilft zu verstehen.


Antwort an Othmar:
Danke für Ihre ausführliche Antwort. Auch als häufiger Circusbesucher sieht man eben lediglich die schön anzusehende Ergebnisse dieser Arbeit. Natürlich kann man sich auch aus der spärlichen Literatur zu dem Thema informieren, doch ist der Dialog mit Menschen, welche die entsprechende Arbeit machen, doch etwas anderes. Derartige "Öffentlichkeitsarbeit" ist auch ungemein wichtig, da je besser der allgemeine Informationsstand über die Tierdressur ist, umso weniger wird es den Tierrechtlern gelingen ihre Unwahrheiten zu verbreiten.
Gut finde ich, daß Sie auch etwas zu der Frage des 'Durchsetzens' schreiben. Denn ich habe schon Sätze gehört, daß ein Tierlehrer möglichst auf eine Übung bestehen sollte, da das Tier ansonsten die entsprechende Übung eventuell nie wieder machen würde. Ohne derartige verkrampfte Vorstellungen geht es aber nach ihrer Ansicht besser, was sicher richtig ist.
Mit "Regeln" meinte ich natürlich nicht ein dickes Gesetzbuch in welchem man unter Paragraph soundsoviel nachlesen kann was zu tun ist, sondern eher um die Frage, wie Sie persönlich sich in der entsprechenden Situation verhalten würden, und was auf keinen Fall getan werden sollte, was Sie ja auch kompetent beantwortet haben.


Antwort von Othmar:
Tierdressur finde ich eine ganz persoenliche Sache in der man seine eigenen Erfahrungen anwendet. Wenn ich hier einen Vergleich anbringen darf, dann ist es aehnlich wie beim Kinder erziehen. Es gibt so viele Methoden wie es Kinder und Eltern gibt.
Das mit dem Beharren auf "Durchsetzen" habe ich immer fuer etwas laecherlich gehalten. Tiere, wie Menschen, fuehlen sich nicht immer jeden Tag in Hochform. Wenn ich mich diesem Umstand anpasse heisst das noch lange nicht das der Tiger dies ausnuetzt in der naechsten Vorstellung. Wie bereits mehrmals gesagt wurde von mir, koennen Tiere nicht einem Denkprozess nachgehen wie Menschen oder planen gar auf lange Sicht um fuer sich Beguenstigungen zu erziehlen. Tiere reagieren auf Situationen.
Ich habe Tigernummern gesehen hier in China, aber auch in Russland, die jeden Tag arbeiteten wie ein Schweizer Uhrwerk, aber diese Tiere haben auch keine Persoenlichkeit oder Charakter. Im Gegenteil sie erinnern mich an Maschinen, die wie programniert ablaufen, ohne jede Freude oder Beziehung zur Arbeit oder dem Dresseur.
In meiner Arbeit freut es mich immer wieder wenn Zirkusbesucher zu mir kommen und mir sagen das man die verschiedenen Persoenlichkeiten der Tiere gut erkennen kann. Regelmaessige Besucher sagen oft, "Othmar deine Nummer ist jeden Tag etwas anders und somit interessant". Das freut mich mehr, als wenn jemand sagen wuerde "Wow, deine Tiger arbeiten aber exakt wie Maschinen".
Ich habe immer versucht mit den Tigern zusammen zu arbeiten und nicht die Tiger fuer mich arbeiten zu lassen. Auch versuche ich nicht zu zeigen wie "mutig" ich bin, sondern das man mit wilden Tieren in Harmonie und Freundschaft etwas schoenes machen kann. In diesem Sinne praesentiere ich nicht nur die Tiger, sondern uns.
Aber wie gesagt Tierdressur ist eine sehr persoenliche Sache. Ein anderer Tierlehrer wird sehr wahrscheinlich mit meiner Ausage gar nicht einverstanden sein. Als Beispiel sehen Sie sich meine fruehere Aussage ueber Tiger und die von meinem lieben Kollegen Herr Vidlak. Er glaubt, dass Tiger nachtragend sind und Meinungsverschiedenheiten erst im Nachhinein regeln, wogegen Loewen viel mehr direkt sind. Ich, auf der anderen Seite, habe genau die gegenteilige Erfahrung gemacht und dies war mit ein Grund warum ich mich auf Tiger spezialisiert habe. Das heisst aber nicht, dass einer von uns beiden nicht die Wahrheit sagt, sondern es sind persoenliche Erfahrungen, aber auch Zuneigungen.
Ich bin froh das Sie nicht "Regeln" meinen, die von einer Regierung gemacht werden. In Kanada, meiner Wahlheimat, habe ich solche Regeln bei Pferde- und Haushundedressuren gesehen und dabei ist mir fast schlecht geworden. Unter anderm wird da vorgeschrieben, dass der Dresseur jegliche Gefuehlsbindung mit dem Tier vermeiden soll. Alles ist sehr pauschal und nach dem Prinzip von; "Man nehme einen Hund und..." kalt und gefuehlslos.
Sollten Sie mehr Fragen haben werde ich mit Freude diesen entgegensehen, denn wie Sie schon richtig bemerkt haben, ist es sehr wichtig, dass wir in der heutigen Zeit ein solides Wissen ueber die Materie der Tierdressur haben. Denn nur Wissen und sachliche Gegendarstellung werden einer breiten Oeffentlichkeit die Scheinheiligkeit und die verlogene Hetzpropoganda der Tierrechtler voll darstellen koennen. Auch sind Tierrechtler, aus verstaendlichen Gruenden, nicht daran interessiert eine sachliche Diskussion zu fuehren und je mehr Menschen die Wahrheit wissen, destoweniger bleibt uebrig fuer die Tierrechtler.
Mein persoenliches Ziel ist es mit diesen Beitraegen die Oeffentlichkeit zu informieren und den Tierrechtlern damit Nahrung in Form von Blauaeugigen, ups, ich habe blaue Augen, (Gutglaeubigen) wegzunehmen.
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 20:11

Frage an Othmar:
Was halten Sie denn persönlich davon, wenn jemand in seinen Auftritt Effekte einbaut, die "Wildheit" demonstrieren sollen, wie Prankenschlagen, Fauchen etc. Es ist ja bestimmt nicht so schwierig diese Verhaltensweisen bewusst für die Show auszulösen.
Ich persönlich habe meine Ansicht dazu geändert: Früher habe ich einem Tierlehrer voll zugestimmt der meinte alle derartigen Effekte gehörten zu einer alten, überkommenen Präsentationsweise, und reagierte eher irritiert, wenn so etwas in einer Nummer bewusst gezeigt wurde. Dann habe ich allerdings einen Auftritt gesehen, wo auch mit solchen Einlagen "Spannung" erzeugt werden sollte, aber der Tierlehrer dennoch dem Publikum vermitteln konnte, daß er ein super Verhältniss zu seinen Katzen hat.
Deshalb wende ich mich nun nicht mehr generell dagegen da es sich ja auch um Verhaltensweisen handelt, die zum natürlichen Repertoire der Tiere gehören, schlecht finde ich es nur wenn sich irgendwo die Ansicht durchsetzt derartiges gehöre unbedingt zur Raubtiershow dazu, also das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlägt und dann auf einer eher "wilden" Vorführung bestanden wird.
Danke für ihre fachkundigen Antworten und weiterhin: Manege frei-natürlich mit Tieren.


Antwort von Othmar:
Grundsaetzlich gibt es zwei Arten von “Effekten” die echten und die gemachten.
Die echten “Effekte” konnte man frueher noch oefters sehen. Der Grund dafuer war das Dresseure wie Trubka, Wiesner und Weidmann noch zum Teil mit Wildfaengen gearbeitet haben. Solche Tiere waren, obwohl umgaenglich, wild geblieben. Wogegen die ueber Generationen gezuechteten Tiger mehr domestiziert sind. Daher kann man heute eigentlich gar nicht mehr von Wildtieren reden. Ich selbst habe noch mit einigen Wildfaengen gearbeitet und diese waren immer schnell mit der Pranke oder einem Bruellen dabei, um der kleinsten Unstimmigkeit Luft zu machen.
Fuer mich ist der Amerikaner Clyde Beatty der absolute “Koenig” der wilden Raubtierdressur. In den 30iger Jahren hatte er ausschliesslich mit Wildfaengen gearbeitet und ist damit zur beruehmtesten Zirkuspersoenlichkeit emporgestiegen.
Interessanterweise war das gerade zu einer Zeit, da unter dem Druck der Tierrechtler Raubtiervorfuehrungen in manchen Amerikanischen Staaten verboten waren und es war dank der Persoenlichkeit von Clyde Beatty und seinem Erfolg, das dieses Verbot wieder aufgehoben wurde. Wie sich doch die Geschichte immer wiederholt.
Die gemachten Effekte sind sehr leicht zu erzeugen, alles was ich machen muss ist, bei einem Tiger die kritische Distanz unterschreiten und schon macht er mit einem Prankenschlag oder einem Gebruell mich darauf aufmerksam, dass ich ihm zu nahe gekommen bin. Der naechste Schritt des Tigers waere dann ein Scheinangriff. Dies ist ein ganz natuerliches Verhalten der Raubtiere und meint absolut nicht, das die Tiere Angst haben vor mir oder mich nicht leiden kann. Wenn das so waere, haette ich gar keine Lust in den Kaefig zu gehen, denn lebensmuede bin ich nicht.
Jedoch sind solche Effekte bei mir nicht bewusst als “Show stoppers” gemacht, sondern es ergibt sich einfach so, speziell wenn man so grosse Tigergruppen dressiert, wie ich es mache von 15 bis 25 Tigern. Da ist manchmal einfach nicht genug Platz, um immer den noetigen tolerierten Abstand einzuhalten. Aber auch die Tiger untereinander regeln ihre Rangordung mit Gebruell und Prankenschlagen speziell wenn sich alle Tiger in eine Reihe legen, einer neben dem andern, da kommt es oft zu Reibereien.
Grundsaetzlich bin ich nicht gegen solche “Effekte” unter der Bedingung das die Tiere nicht absichtlich und jeden Tag zu solchen “Effekten” gereizt werden. “Effekte” sind aber auch eine gute Hilfe um einem, durch stumpfsinnige Walt Disney Filme (uebrigens eine Tierrechtler Company) “verbloedelten” Publikum zu zeigen, dass es tatsaechlich gefaehrliche Raubtiere sind und nicht harmlose Koenige des Dschungels, die mit der Gazelle am Lagerfeuer sitzen und froehliche Lieder singen. Aus dem selben Grund gebe ich allen meinen Tigern dramatische Namen, da ich oft mit einem Microphon arbeite, will ich nicht das meine Tiger Namen wie “Buby” and “Rosa” haben. Die Leute sollen Respekt vor Tigern haben und sie nicht “Niedlich” oder “Suess” finden.
Bitte lassen sie mich kurz den sogenannten “Publikumsgeschmack” ansprechen. Durch all meine Jahre habe ich mich einen Pfifferling gekuemmert um den Publikumsgeschmack, der ja nur eine Erfindung der Presse ist und nicht etwa ein tatsaechliches Faktum. Ich zeige heute noch den Feuerreifen und andere sogenannte “unethische” Tricks. Auch benutze ich immer noch eine schwere geflochtene Peitsche (aus Gewohnheit) und bei Elefanten einen unverdeckten Haken. Meine Auffassung ist diese, sollte ich dem Druck der Tierrechtler und dem erfundenen Publikumsgeschmack nachgeben und die Peitsche oder Feuerreifen weglassen oder meinen Elefantenhaken verstecken, dann wuerde der Eindruck entstehen, dass ich frueher etwas falsch gemacht habe und mich von den Tierrechtlern belehren lasse.
Ein Beispiel. Als in Amerika die Tierrechtler gegen den Feuerreifen protestierten, haben viele Tierlehrer diesen Trick weggelassen. Wogegen ich anstatt fuenf Tiger nun zehn Tiger durch den Feuerreifen springen liess und nur um meine Revolte zu zeigen auch gleich noch sieben Tiger ueber eine Feuerbarriere springen liess. Das Publikum war begeistert und trampelte mit den Fuessen und die Tierrechtler schaeumten vor Wut und ganz alleine darauf kommt es bei mir an und nicht was die "Mode" diktiert.
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 20:13

Frage an Othmar von einem Kollegen:
Sosehr ich den Inhalt Deines vorangegangenen Artikels gut heiße, mich mit ihm identifiziere, als ob ich ihm selbst geschrieben hätte, möchte ich Dich etwas fachliches, betreffend der Tiermedizin fragen: Du erwähntest, dass Du Schwangerschaftstest mit Deinen Tigern machtest. Nimmst Du die handelsüblichen Teststreifen für Menschen, denn für Tiere ist mir ein ähnliches Präparat nicht bekannt. Hast Du Erfahrungswerte, wie sicher diese Tests sind (in ca. Prozenten ausgedrückt). Das Zweite: In welcher Form verabreichst Du das Vitamin C, denn wir möchten auch ganz gerne eine Entzündungs-Vorbeugung, gerade für die kalte Jahreszeit verabreichen. Wir haben mit unseren schwarzen, alten Herren ein Fellproblem, dass eine sehr lange Vorgeschichte hat, aber wir haben sehr gute Ergebnisse mit Vitamin B1 und abwechselnd B-Komplex gemacht. Diese Präparate gibt es in Kapseln, die wir öffnen und den Inhalt im Fleisch verstecken, in dieser Form wird es mit dem Vitamin C wohl nicht funktionieren, da es ja extrem sauer ist. Vielen Dank für Deine Information im voraus.


Antwort von Othmar:
Mir sind keine Schwangerschaftstest fuer Raubtiere bekannt in Form von Teststreifen wie bei Menschen. Es gibt Teststreifen fuer Vieh, aber der Urin von Raubtieren enthaelt sehr viel Amoniak und deshalb weiss ich nicht wie der Test ausfallen wuerde.
Ich nehme immer eine Urinprobe, diese sauge auf mit einer Spritzenkanuehle vom sauberen Boden und dann bringe ich die Probe ins Krankenhaus um den Test zu machen, dies ist die sicherste Methode.
Den Test mache ich nicht, wenn ich weiss das die Tiere sich erfolgreich gepaart haben. Jedoch wenn ich nicht sicher bin, mache ich den Test am Ende des ersten (vermuteten) Monats.
Vitamin C sowie alle anderen Vitamine und Mineralien verabreiche ich oral mit dem Fleisch. Hierbei bevorzuge ich Kapseln, nicht Pillen. Diese stecke ich dann je eine oder zwei in ein gulaschgroesses Stueck Fleisch. Stopf die Pille oder Kapsel gerade vor dem fuettern ins Fleisch, da sonst die Pille oder Kapsel aufgeloesst wird und der bittere Geschmack sich im Fleisch verteilt.
Eine andere Form von Verabreichung ist intramuskulaer, aber dies mach ich nur wenn ein Tier Zeichen von Erkaeltung zeigt und immer zusammen mit Penizilin oder Ampizilin. Auch Fischtran ist gut als Praenventive zusammen mit Vitamin C und C Block. Ich fange damit an bevore es kuehl wird.
Raubtiere, aber auch andere Tiere, koennen an verschiedenen Hautproblemen leiden, die Haarverlust zur Folge haben. Die haeufigsten Probleme sind Ringwuermer. Diese Erkrankung zeigt sich in dem das Fell kreisfoermigen Haarverlust aufweist. Dagegen gibt es eine Kur, die etwa zwei Wochen dauert. (Ich nenne keine Praeperate, da diese von Land zu Land verschiedene Namen haben und im Moment habe ich das Medikamentenlexikon nicht bei mir).
Andere Probleme sind zu trockene Haut und Pilze. Um eine genauere Prognose zu stellen muesste ich das Tier sehen oder eine Foto haben, aus welchem die beschaedigte Stelle gut zu sehen ist.
Vitamin B und B Block ist gut fuer die Haut und Haare, aber auch Vitamin D . Versuche auch Fischtran, da dies gut ist fuer trockene Haut. Sollte das nicht helfen. muesste man ein Hauttest oder Bluttest machen um genau festzustellen was es ist, um ein Medikament vorzuschlagen. Wie gesagt es koennen viele Ursachen sein, sogar Herpes oder Nieren Probleme im schlimmsten Fall.
Ich hoffe das dir diese Antworten etwas helfen, obwohl sie generell sind. Aber wie gesagt, es ist immer schwer eine genaue Diagnose zu stellen, wenn man keine genauen Angaben hat oder das Tier nicht sieht.
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 20:14

Frage an Othmar:
Wir hatten über die Fellgeschichte meines Panthers gesprochen. Mir ist die Ursache der Probleme bekannt, manchmal wirken meine Behandlungen, manchmal nicht. Selten, dass zweimal das gleiche wirkt. Vielleicht bräuchte ich gar nichts machen und es wäre der gleiche Verlauf. Ich schildere Dir in Stichworten die Entstehung: Mein Schwarzer hatte eine bakterielle Gastritis, er fraß schon fast zehn Wochen so gut wie nichts. Der Tierarzt kam, gab hier ein Tröpfchen, da ein Pillchen, die mein guter Panther alle nicht nahm, da er ja nichts fraß. Er wurde immer weniger, bis ich mich entschloss, die Sache sehr energisch selbst in die Hand zu nehmen. Ich fuhr in Wien in die Uni-Tierklinik schnappte mir einen Arzt (halb gewalttätig) und nahm ihn mit. Er musste Antibiotika mitnehmen, einen Vitamincocktail, der Appetit anregend wirken soll, etc. Ich drohte dem Arzt, dass ich das Fernsehen kommen lasse, etc. denn man konnte sehen, der Panther hätte die nächsten Tage nicht überlebt. Ich verfrachtete den Panther in einen Zwangskäfig mit verschiebbarer Zwischenwand. Trotzdem war der Arzt so eine feige Memme, dass er die gesamten Präparate in einem Kolben aufzog, die dickste Nadel nahm, zu dem Panther hinsprang und den Spritzeninhalt innerhalb einer halben Sekunde hineinjagte. Der Schwarze schrie auf, wie ich es noch nie hörte. Ich ließ ihn aus dem Zwangskäfig, er kam zwei Schritte heraus und fiel auf der Seite wo die Spritze eindrang auf das Kniegelenk. Der Arzt meinte, dass gibt sich in ein zwei Tage wieder, weil er wusste, ich musste am nächsten Tag nach Frankreich, zu den Weihnachtsgalas. Ich kam nach Frankreich, mein Panther lief noch immer auf dem Kniegelenk. Ich rief meinen Arzt in Deutschland an, beschrieb den Vorfall und bekam sofort die Diagnose, dass der Strecknerv verletzt sei, oder sogar durch ist. Er empfahl mir- Wärme und Bewegung. Ich lief 5 Minuten mit dem Tier durch den Schnee, kam zurück, legte mich mit ihm zusammen unter die Infrarot-Lampe und fütterte ihn schön langsam mit kleinen Stückchen Fleisch, die er Gott sei Dank wieder nahm. Diese Prozedur ging ca. 3 Wochen. Ich stank genauso wie mein Panther, wenn ein Hund auf der Straße an mir schnüffelte, heulte er auf und haute ab. Nach drei Wochen bekam er ca. 3-4cm Luft unter dem Kniegelenk, also waren wir auf dem Weg der Besserung. Jetzt kam aber das sekundäre, größere Problem. Durch die Regeneration des Nervs entstand ein Kribbeln, so als ob uns ein Bein eingeschlafen ist. Der Panther konnte mit diesem Gefühl nichts anfangen und hat es mit der Zunge so lange „massiert“ bis er offenes Fleisch in der Größe von zwei Männerhände am Oberschenkel hatte. Der Nerv war wieder okay, aber die Wunde blieb. Jeder Tierarzt sagte nur „einschläfern“, ich sagte nein. Wo Leben, da Hoffnung. Mit Kortison, verdrängten wir den Juckreiz und so konnte eine langsame Granulierung der Wunde einsetzen, es dauerte noch fast drei Jahre, bis sich die Wunde ganz schloß. Jetzt kommt der dritte Teil der Story! Der gesamte Oberschenkel besteht aus Narbengewebe und bei jedem Wetterumschwung juckt es ihm. Wenn es so weit ist, bekommt er kleine Dosierungen Kortison. Aber wenn das Jucken am Abend beginnt, hat er in der Früh bereits Wunden in der Größe von fünf Mark Stücken. Bis das wieder zu ist, vergehen wieder 2-3 Wochen. Das Fell ist durch den häufigen Einsatz von Kortison auch manchmal stumpf. Ich gebe daher Katzenmilch mit Mira Coat Eine Substanz die auch den Stoffwechsel fördert. Nach langem Probieren, war das die beste Therapie. Aber eine positive Seite hatte diese ganze Leidensgeschichte. Ich habe einen Panther, der ist zahmer und treuer wie ein Hund. Ich kann mich nachts mit nackten Oberkörper, ohne Stock in seinen Käfig legen, ein Stück Fleisch auf die Brust legen und der Schwarze wird mir das Stück Fleisch weglutschen, ohne mir auch nur einen Kratzer zuzufügen. Solche Demonstrationen würde ich nicht machen, da es mit Dressur nichts zu tun hat. Ich erwähnte es nur, damit Du siehst, dass Raubkatzen sehr wohl das Gefühl der Dankbarkeit kennen. Ich wünsche Dir, dass Deinen Tieren solche Schicksale erspart bleiben. Bleib gesund, Herbert


Antwort vom Othmar:
Eine lange Leidensgeschichte. Von deinen Angaben zum Fall kann ich mit guter Gewissheit annehmen, dass der erste Tierarzt das Problem ausgeloest hatte. Mit dem Reinschlagen der Spritze hat er nicht nur den Strecknerv verletzt, wie dein Tierarzt richtig vermutete. Die schnelle Einfuehrung der Medikamente, Antibiotika und Vitamincocktail, sowie der Schlag und grosse Nadel hat auch Gewebe und Hautschaeden beigefuegt. Solche Schaeden koennen permanent sein. Medikamente enthalten oft aetzende Teile, die leichte bis schwerere Verbrennungen herbei fuehren koennen, wenn sie in grossen Massen schnell beigebracht werden.
Solche Veraetzungen koennen zum Austrocknen der befallenen Gewebe und Hautteile fuehren. Dies kann leicht geprueft werden. Drueck leicht mit dem Finger auf die Stelle, sollte sich diese hart anfuehlen und eine Druckstelle hinterlassen ist diese ausgetrocknet.
Auch wenn der Nerv wieder zusammengewachsen ist, bleibt er sehr empfindlich, aber auch andere Nerven in der unmittelbaren Umgebung.
Die Juckreize werden bei drastischen Wetterveraenderungen hervorgerufen, da der oder die Nerven darauf empfindlich reagieren. Sollte eine Gewebe und Hautvertrocknung stattgefunden haben, wie oben beschrieben, dann wird dieser Juckreiz noch verstaerkt. Eine psychische Stoerung des Leoparden durch das Erlebnis wuerde ich nur dann in Erwaegung ziehen, wenn das Tier immer an der betroffenen Stelle leckt und beisst, aber wie ich deiner Beschreibung entnehme ist das nicht eine dauerhafte Taetigkeit, die als “Stereotype” bezeichnet werden koennte, sondern ausgeloesst von Schmerzen. Durch das staendige Lecken waehrend diesen Perioden ist die erste und zweite Hautschicht so schwer beschaedigt worden, dass keine Haare mehr wachsen koennen, die verheilte Narbe wird wie eine Brandnarbe ausehen und sehr empfindlich sein.
Natuerlich entsteht fuer den Leoparden eine Art Teufelskreis, je mehr er leckt, desto mehr juckt es ihn und nachdem eine Hautoeffnung entsteht, fangen die Wundraender zu jucken an und diese dehnen sich dann aus. je mehr er leckt daran.
Versuche in de kuehleren Jahreszeit diesem Tier mehr Fischoel zu geben, das ist gut fuer die Haut und die Haare. Wenn du kannst benutze kein Cortison, da es die Leber angreift und somit die Kondition verschlechtern kann. Ich benutze das Teufelszeug seit Jahren nicht mehr, denn es macht auch andere Medikamente neutral, dies koennte der Grund sein warum eine Kur nur fuer eine gewisse Zeit wirkt. Versuche ihm ein ganz normales Schmerzmittel zu geben, am besten ist Aspirin da es nicht suechtig macht und die Nieren nicht angreift, aber auch keine nennenswerte Nebenwirkungen hat. Aspirin foerdert auch den Blutkreislauf und hat viele andere gute Eigenschaften.
Behandle die befallene Stelle mit einer unparfuemierten Feuchtigkeitscreme die Aloe beinhaltet. Wenn das, was du selbst machst, Wirkung zeigt mach auch das weiter.
Aber wie gesagt ich wuerde das Cortison ganz weglassen und zu anderen Medikamenten greifen. Eine fuer Tierbesitzer oft leidliche Angelegenheit ist dem Tier einen Kragen anzulegen damit es sich nicht mehr kratzen und beissen kann, auch das Lecken an der Wunde trocknet die Haut und die darunter gelegenen Gewebe noch mehr aus.
Hier nochmals zusammenfassend.
Gib dem Tier mehr Fischtran, loese ueber dem Fleisch oder als Kapsel ins Fleisch gesteckt. Auch aufgeschlagene Eier und Leber. Soweit die Diaet als Vorschlag.
Wundbehandlung: oral mit schmerzlindernden Medikamenten, kein Cortison, aber auch sedative Medikamente um die Nerven zu beruhigen, erfrage beim Tierarzt danach.
Aeusserlich behandle die Wunden mit Feuchtigkeitscreme, z.B. Babycream mit Aloe ist gut oder aenhliche Produkte. Bestreiche die Stellen, wenn nicht offen mit durchblutungsanregenden Medikamenten. Auch massieren hilft. Denn es ist gut moeglich das der Leopard auch oertliche Durchblutungsstoerungen hat die ebenfalls zu Juckreizen fuehrt.
Solltest du Stroh als Einstreu benutzen schuettle es gut aus damit so wenig wie moeglich Staub an das Tier kommt, Daher ist Saegemehl nicht gut, verwende Hobelspaehne, die du in Ballen kaufen kannst, davon gibt es auch eine staubfreie Variante, die man fuer Pferde benutzt mit Stauballergie. Sei sehr darauf bedacht, dass der Leopard nie mit Urin in Kontakt kommt an der befallenen Stelle. Beleuchte die befallene Stelle jeden Tag mit Rotlicht oder bring das Tier an die Sonne, denn dies foerdert Vitamin D Produktion fuer die Haut.
Fuehre diese Behandlung ganzjaehrig durch und nicht nur in der kritischen Zeit.
Ich hoffe, dass dir diese Angaben helfen werden Linderung bringen, nach deiner Beschreibung denke ich leider nicht, dass eine Heilung moeglich ist, aber dafuer gute ertraegliche Kontrolle. Ein klares Bild darueber koennte nur gemacht werden wenn eine Hautprobe von der befallenen Stelle untersucht wuerde im Labortest.
Wenn man fuer ein krankes Tier so intensiv sorgen muss kommt man ihnen ganz nahe und die Tiere auch dem Menschen. Dies habe ich oft erlebt, gerade jetzt wieder, wo ich einen Tiger mit Nierenversagen wieder zurueckgeholt habe vom sicheren Tod, indem ich fast Tag und Nacht mit ihm in unserem Krankenhaus verbracht habe. Ich schreibe diese Message uebrigens auf meinem Laptop neben dem Tigerkaefig, wo ich die Maschinen und den Tiger ueberwache, er ist ueber dem Berg. Herz und Kreislauf zeigen fast normal auf der Maschine an und die Nieren werden jeden Tag staerker. Der Tiger war nicht eines meiner freundlichsten Tiere, aber nun liegt er gelassen da mit Kabel und Schlaeuchen an und in ihm und laesst sich mit der Hand von mir fuettern.
Im Vergleich zu dir liegt aber der Stock nicht weit weg, von mir nur als Versicherung. Denn mich hat mal ein Loewe angesprungen nach dem er aus der Narkose aufwachte und das war ein zahmer Kerl, mit dem ich wie mit einem Hund spielen konnte. Ach ja, es ueberrascht mich immer wie “zahm” Tiere werden, wenn sie merken das man ihnen helfen will und kann.
Deine Wuensche nehme ich gerne an, aber es hat solche Schicksale gegeben, auch solche wo ich mit Traenen und zittrigen Haenden die letzte Spritze verabreichen musste. Das gehoert auch zu unserem Leben, leider.
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 20:16

Frage an Othmar:
Was gebt ihr Tieren gegen Durchfall, wie kann man diesen stoppen ?
Frage für einen Freund, der zwei Ozelot hat


Antwort von Othmar:
Was andere benutzen weiss ich nicht, daher werde ich dir sagen, was ich benutze und was mir bis heute sehr gut geholfen hat.
Aber zuerst muss festgestellt werden, was den Durchfall verursacht hat. Es gibt mehrere Moeglichkeiten. Erkaeltung, hervorgerufen von drastischen Wetterveraenderungen, trinken von sehr kaltem Wasser oder dem essen von kaltem Fleisch.
In diesem Fall: Wenn es eindeutig feststeht, das es eine Erkaeltung ist, die oft von einer nassen stelle direkt unter dem Nasenspiegel begleitet ist, benuetze ich Kohle uebers Fleisch gestreut, dies ist in jeder Aphoteke als Pulver oder in Pillenform zu erhalten. Fuer ein Ocelot wurde ich die Dosierung fuer Kleinkinder verwenden. Aber auch verduennten Schwarztee, ohne Zucker, ins Trinkwasser geben. Fleisch und Wasser sollen immer temperiert dargeboten werden. geht der Durchfall nicht weg innerhalb zwei Tagen auf staerkere Geschuetze ausweichen, die aber nur vom Tierarzt gegeben werden sollten.
Im starken akuten Fall: Das Tier zum Tierarzt bringen. Uebliche Behandlung. Bluttest und Penicillin und dergleichen, bis der Durchfall unter Kontrolle ist, dann weitermachen wie oben beschrieben. Sollte Milch und Eier im Diaetplan sein, diese weglassen, bis das Tier wieder voellig gesund ist.
Durchfall hervorgerufen von Viren und Entzuendungen: Tierarzt. Blutprobe, vieleicht auch Stuhl und oder Urinprobe. Penicillin und/oder Virenbekaempfung.
Durchfall kann auch entstehen, wenn ein Tier Angst hat oder es in eine ihm ungewohnte Umgebung gebracht wird oder wenn es nervoes ist. Aber auch, wenn die Diaet schnell gewechselt wird: z.B. heute Rindfleisch, morgen Haehnchen oder zuviel Leber. Auch zuviele Vitamine und Mineralien koennen Durchfall ausloesen. In diesen Faellen wird der Durchfall von sehr kurzer Dauer sein und braucht nicht behandelt zu werden. Einfach die Umstellung verlangsamen oder den Grund des Durchfalles vermeiden oder weglassen.Bei Diaetumstellung immer langsam vorgehen, die neue Diaet ueber zwei bis drei Tagen der alten Diaet beimischen in immer groesser werdenen Anteilen.
In jeder Durchfall Situation immer dem Tier genuegend Wasser anbieten, bevorzugt 24 Stunden, sollte das Tier schwach sein oder nicht trinken wollen, mit Kanuele einfloessen. Im Ernstfall mit Injektion, direkt unter die Haut Spritzen oder ueber IV direkt in die Blutbahn bringen. Tiere verlieren viel Fluessigkeit waehrend eines Durchfallbefalls, dies kann im Ernstfall Nierenversagen ausloesen.
Ich hoffe, deinem Freund mit diesen Angaben helfen zu koennen, im Fragefall immer einen Arzt aufsuchen, gilt fuer Tiere genauso wie fuer Kinder.
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 20:19

Antwort des Kollegen an Othmar:
Mit sehr viel innerer Freude nahm ich die Anteilnahme und das „Helfenwollen“ zur Kenntnis und habe dabei den einen und anderen guten Tipp erfahren. Leider bin ich dieses eine Mal nicht ganz Eurer Meinung und ich werde versuchen es zu begründen. Als mein Zeus begann sich selbst mit Zunge und Zähne zu attackieren, wurde natürlich nicht sofort Cortison eingesetzt. Zuerst narkotisierten wir das Tier, nahmen eine große Menge an Blut, damit man alle Untersuchungen machen kann. Wir schickten sogar einen Teil des Blutes nach London, da man dort eine Möglichkeit der Untersuchung hat, die es in Deutschland so nicht gab. Man machte eine Biopsie (leider weiß ich nicht wie man das Wort schreibt, ich hätte auch Gewebeprobe schreiben können), all diese Untersuchungen blieben ohne greifbaren Befund, den man mit den Symptomen hätte in Verbindung bringen können. Da Zeus sich sehr aggressiv leckte und auch biss, konnte auch ein „Nichtmediziner“ erkennen, dass ein extremer Juckreiz das Tier plagt. Zeus hat sich innerhalb von drei Tagen, den kompletten Oberschenkel frei gelegt, es sah aus, wie frisch geschnittenes Schnitzelfleisch. Wir verabreichten ihm eine größere Menge Cortison, er verlangsamte seine Attacken und nach ca. 10 Tagen erkannte man an den weißen Wundrändern eine erste Granulation. Ich traf nach einem halben Jahr einen anderen Tierarzt (in meiner Region) der sich das Tier ansah und mit einer überzeugender Gewissheit behauptete, dass mein Zeus einen Biotin-Mangel hätte. Cortison weg, Biotin her. Resultat: Zeus hat sich in einer Nacht so aufgeschleckt, dass das halbe Jahr langsamer Heilung für die Katz war. Was habe ich erreicht? Ich habe einen Versuch gemacht um vom Cortison weg zu kommen und habe erreicht, dass mein Zeus ein halbes Jahr umsonst Cortison geschluckt hat. Natürlich könnte man andere Methoden probieren, natürlich gibt es andere Möglichkeiten um zu einen Erfolg zu kommen, aber wer soll es riskieren, einen Fehlversuch zu machen, der das Tier wieder in einen Zustand versetzt, von dem es sich altersbedingt nicht mehr Erholen kann. Jedes Medikament ist eine Art Kosten Nutzen Rechnung. Hilft es mehr als es schadet ist es okay. Wenn ich einen Herzfehler habe und der Arzt mir die Mitteilung macht, dass ich nur mit dem einen Medikament den nächsten Tag erleben werde, dass Medikament aber auf die Niere geht, werde ich nicht den Ehrgeiz haben, eine Leiche mit gesunden Nieren abzugeben. Weiteres habe ich mich mit Medizinern unterhalten, die mir versicherten, dass Cortison nicht halb so schlimm, wie sein Ruf ist. Ich habe es vor einem dreiviertel Jahr abgesetzt, alles war in bester Ordnung. Seit einer Woche sehe ich wieder eine kleine Wunde an der alten Stelle. Ich habe jetzt die Möglichkeit, meine alte Methode anzuwenden, oder zu experimentieren. Wenn man vier- fünf Jahre ein Tier gehabt hat, dass man vor den Augen der Menschen verstecken musste, weil man sonst gesteinigt worden wäre, hat keinen Nerv für Experimente. Ich habe auch bemerkt, dass Stroh und Heu, das sich Wundschlecken verstärkt. Ich habe eine neue Schlafkiste mit einem doppelten Boden gebaut. In dem Zwischenboden habe ich eine Heizung installiert. So komme ich ohne Heu und Stroh über den Winter. Ich denke, dass man meine Entscheidungen nachvollziehen kann, wenn man sich vorstellen kann, was ich mit dem Panther durchgemacht habe. Trotzdem bin ich sehr dankbar für jeden nützlichen Ratschlag, der meinen Wissensstand nur vergrößert. Habt noch einen schönen Tag, Herbert


Antwort von Othmar:
Dieser Fall ist ein Beispiel wie schwer es ist eine sogenannte Distanzdiagnose abzugeben wenn man nicht mit allen Einzelheiten vertraut ist und den Patienten nicht kennt.
So wusste ich z.B. nicht das bereits eine Breitspektrum-Blutuntersuchung gemacht wurde und eine Gewebebiopsies, die nach deinen Angaben keine Besonderheiten aufzeigten.
Dies laesst in mir die Vermutung verstaerkt zu, die ich vorher schon in Erwaegung gezogen habe, aber nicht darueber schrieb, weil diese mir zu vage erschien, nun aber dadurch bestaerkt ist. Naemlich, dass der Patient an einer permaneten Nervenbeschaedigung leidet. Aber wiederum um eine genaue Diagnose zu wagen, muesste dazu ein Nervenfunktionstest gemacht werden, der sehr teuer ist und daher nur bei Menschen gemacht wird und auch da nur in den aeussersten Faellen.
Es ist immer schwer eine Diagnose zu stellen, besonders bei Tieren da sie ja nicht reden koennen, da ein Symptom mehre Bedeutungen haben kann. Jeder Doktor lernt, dass er immer mehrere Krankheiten in Erwaegung ziehen und auch die Untersuchungen in dieser Richtung verfolgen soll, bis sich dann eine bestimmte Diagnose herauszukristallisieren beginnt. Aber leider, gerade bei sogenannten Wildtieren, kommt der Arzt, schaut sich das Tier an und sagt, “Ah, Biotinmangel” oder sowas aehnliches.
Wie alt der Patient ist weiss ich zwar nicht, aber wenn du sagst er ist alt, nehme ich an, dass er in der zweiten Haelfte seines Lebens ist oder mehr. Aus diesem Grund schlage ich dir vor mit Cortison weiter zu machen, da dies im Tier nicht mehr viel Schaden anrichten kann, aber seinen Lebensabend ertraeglich gestaltet. Eine andere Loesung waere, sollte der Patient sehr leiden, die “letzte Injektion” wie ich diesen drastischen Schritt nenne. Aber dies ist eine sehr schwere Entscheidung, die nur du machen kannst und auch damit leben musst.
Die Schlafkiste mit dem doppelten Boden und der Heizung ist eine gute Idee, sollte es dir moeglich sein die Wundstelle mit Infrarotlicht zu bestrahlen, alle zwei Tage fuer etwa fuenzehn bis zwanzig Minuten, dann wird auch dies helfen etwas Linderung zu bringen. Ansonsten, wiederum aus der Distanz, glaube ich nicht, dass die Krankheit heilbar ist, speziell im Bezug auf das Alter des Patienten.
Deine Beschreibung von deinem persoenlichen Aufwand und den Aufopferungen in der Pflege deines geliebten Leoparden, die auch mit enormen finanziellen Belastungen verbunden sind, finde ich beispielhaft und die Tat eines wahren Tierfreundes. In diesem Sinne moechte ich dir meine vollste Hochachtung aussprechen und den Wunsch hegen, wuerden das doch nur alle so machen.


Antwort an Othmar:
Vielen Dank für die Besserungswünsche. Mein Zeus hat das sechzehnte Lebensjahr hinter sich gelassen und er leidet kein bisschen, da die Wunden mal ganz weg sind und zwischendurch in der Größe einer Euro Münze entstehen. Ich gebe zur Zeit auch nur 2-3 Mal im Jahr für 10-14 Tage Cortison. Wir haben ja unseren Nachwuchs-Leopard mit 17 Monaten, den unser Zeus fast aufgezogen hat, da wir erhofften, dass der kleine Paris sich einige Eigenschaften von ihm "abkupfert". (was auch gelang). Da ich Paris zum Zeus - täglich 2-3Std.- lasse, kommt durch das herumtollen auch der Kreislauf von Zeus besser in Schwung und beim herumfetzen vergisst er, dass er ja eigentlich schon Atrithis hat. Ich fürchte jetzt schon den Tag, an dem mein Zeus nicht mehr ist, denn alles was ich über Raubkatzen weiß, hat er mir beigebracht. Ich grüße Euch, Herbert


Antwort von Othmar:
Bedanke dich bitte nicht, das war mir eine Selbstverstaendlichkeit.
Zeus ist sechszehn Jahre alt und ihm geht es soweit gut, das ist gut fuer ihn und dich.
Ob du das bewusst gemacht hast oder nicht, es ist immer gut, Tiere die krank, sind mit andern zusammen zu lassen, wenn dies moeglich ist. Denn so vergessen sie, dass sie eigentlich leiden und kommen auf andere Gedanken. Vieleicht erinnerst du dich, als ich ueber die Schwangerschaft geschrieben habe und sagte das ich Schwangeren keine spezielle Behandlung gebe, sondern sie weiterhin am "normalen" Leben teihaben lasse.
Genau aus diesem Grund mache ich das, damit sie nicht zu denken anfangen, dass womoeglich etwas nicht recht sei mit ihnen. Gerade heute habe ich meinem nierenkranken Tiger, von dem ich im Forum hier auch geschrieben habe, einen jungen Tiger in den Krankenhauskaefig gegeben, damit er nicht so alleine ist. Dies foerdert nicht nur den Kreislauf, sondern auch die Psyche und ist so gut wie Medizin. Medizin hilft, aber der Antrieb zur Heilung muss vom Tier oder beim Menschen von ihm kommen.
Ein Doktor sagte mal zu mir: "Ich mag Patienten die sagen: Doc, was kann ich machen, ich muss wieder zur Arbeit". Er sagt, solche Patienten heilen viel schneller als jene, die sagen: "Doc, hier bin ich, nun helf mir mal, ich begebe mich in deine Haende".
Ich weiss genau, was du meinst mit dem lernen von Tieren, wir Tierlehrer lernen mehr von unseren Tieren, als die von uns. Auch weiss ich Bescheid um die Gefuehle, wenn es dem Ende zugeht, es gibt kein drumherum und es ist immer sehr schmerzhaft, aber spaeter werden es freudige Erinnerungen an einen guten Freund, die einem auch Trost geben und Zuversicht, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mit Liebe und Waerme im Herz, manchmal auch mit Wehmut an die Zurueckgelassenen denke, seien dies liebe Menschen oder Tiere. Mein Vater sagte zu mir auf seinem Totenbett etwas, das ich nie vergessen werde und fuer wahr gefunden habe: "Weine nicht mein Othmar, durch dich und deine Brueder werden Mutter und ich weiterleben, bis wir uns alle wiedersehen", und genau so leben meine Tiere durch mich weiter, durch meine Arbeit und durch das Wissen, das ich von ihnen gelernt habe.


Antwort an Othmar:
Lange ist es her, dass wir uns über meinen Zeus (schwarzer Panther 17 Jahre) unterhielten. Er bekam doch diese unglücklich gesetzte Spritze, die ihm den Nerv verletzte. Daraufhin schleckte er sich über eine sehr große Fläche wund. Das ging so ein paar Jahre, dann hörte er von selbst auf, ich konnte das Kortison absetzen und alles schien überstanden. Ende September fing der Gute wieder an zu schlecken und mittlerweile haben wir wieder eine Wunde in der Größe eines kleinen Geldscheins. Ich zermarterte mir den Kopf, ob es nicht doch eine Paralelle von damals zu jetzt herzustellen ist. Ich habe einen Verdacht und möchte sehr gerne Deine Meinung hören. Als die Sache begann, habe ich ausschließlich Hühner gefüttert. Bervor es aufgehört hat, stellte ich auf Rindfleisch um (ca. ein halbes Jahr davor). In der Schweiz, im Conny-Land bekam ich aber von einem Zoo wieder nur Hühner. Nach einem halben Jahr Hühner Fütterung begann er wieder zu schlecken. Man hört immer wieder, dass in der Massentierhaltung, gerade bei Hühnern, vorbeugend ein wenig Antibiotika den Hühnern ins Fressen gegeben wird. Mein Zeus ist allergisch auf Antibiotika. Kann es sein, dass durch die Hühner seine Allergie wieder aktiv geworden ist und kann es sein, da ja nur kleine Mengen davon in den Hühnern sind, diese Allergie mit einer Zeitverzögerung auftritt, so wie ein Glas, dass man sehr langsam befüllt und es daher eine Weile dauert, bis es überläuft? Selbstverständlich füttere ich wieder Rind, zwischendurch gibts ganze Hasen. Kann es sein, dass der Körper auch einige Monate braucht, um dass Antibiotika restlos abzubauen, oder kann es sein, dass er aus Gewohnheit eine Zeit weiter schleckt, obwohl es gar nicht mehr juckt. Dann wäre ja Ablenkung die beste Therapie. Erst einmal freue ich mich Deine Meinung zu hören und sende viele liebe Grüße,
Herbert

Antwort von Othmar:
Dein Verdacht ist sehr begruendet. In der Massentierhaltung verwendet man tatsaechlich Antibiotika das im Futter oder Trinkwasser Beigemischt ist. Aber es werden auch Steroide benuetzt die ebenfalls Reaktionen bei Zeus ausloessen koennten.
An deiner Stelle wuerde ich es bei Rindfleisch und Kaninchen belassen. Du hast auch recht mit deiner Vermutung das sich jegliche Medizin langsam in Koerper ansammelt und zum Teil auch Monate braucht um sich wieder restlos abzubauen. Natuerlich wenn Zeus allergisch ist gegen Antibiotika dann genuegen schon kleine Mengen davon. Ich bin ebenfalls allegisch dagegen und einmal kammen mir einige Tropfen davon in den Mund, beim injekzieren eines Tigers ist die Nadel Abgekommen, und dies loesste nach etwa zwei Tagen bei mir die allergische Reaktion aus.
Ich ziehe ebenfalls in Erwaegung das mit dem Wechsel des Klimas vom Sommer in den Winter und der damit verbundenen kuenstlichen Erwaermung etwas Luftfeuchtigkeit entzogen wird was auch dazu beitragen kann. Dies ist einfach zu loessen, stelle einen Eimer Wasser, oder zwei, in die Halle oder Raum wo deine Leoparden untergebracht sind. Nein ich glaube nicht das der Zeus sich leckt aus Gewohnheit, sonst wuerde er das oefter tun
So wie du das schilderst glaube ich mehr das er wirklich einen Juckreiz hat, aber je mehr er leckt desto vermehrt sich der Juckreiz sobald sich Zeus mal wundgeleckt hat und dadurch wird er noch mehr Lecken weil ihn das Lecken momentane Juckreizlinderung gibt.
Ich schlage vor das Futter umzustellen wie du das ja schon gemacht hast, ueberpruefe die Luftfeuchtigkeit, verwende kein Stroh oder Saegemehl oder Hobelspaene wegen dem Staub, ausser du benutzt die staubfreien Hobelspaene. wenn moeglich beschaeftige mit spielen um ihn abzulenken tagsueber mit Spielsachen wie Baellen, Kartonkisten, alten Kartoffelsaecken und dergleichen.
Am Abend gib ihm eine kleine Dosis Cortison damit der Juckreiz nachlaesst, im Extremfall kannst du ihm auch etwas zum Beruhigen geben wie ein mildes Schlafmittel, frage deinen Tierarzt was er vorschlagen kann.
Ich hoffe dieser Rat wird dir helfen, es wuerde mich freuen wenn du mich auf dem Laufenden haeltst ueber den Heilungsprozess.
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 19.03.2010, 20:20

Frage an Othmar:
Am letzten Wochenende war ich in der Tierschau eines Circus-Unternehmens. Im Zentralkäfig wurde mit einer Gruppe junger Löwen geprobt. Die Tiere waren etwa 9 Monate alt.
Ich habe etwa 15 Minuten zugeschaut, und man konnte schon nach kurzer Zeit die Charaktere der Tiere deutlich unterscheiden. Ein Tier war noch nicht ganz platzsicher, es schien mir auch das Vorsichtigste (nervösete?) in der Gruppe zu sein. Ein Löwe war ausgesprochen phlegmatisch und bewegte sich bei den Übungen (Platz einnehmen und von einem Postament zu einem anderen über eine Brücke laufen) mit viel "Gemütsruhe".
Gut hat mir der Umgang mit den Tieren gefallen. Viel Lob und Fleisch.
Mir ist grundsätzlich klar, dass Löwen in dem Alter fast noch "Kinder" sind, die vielleicht doch lieber spielen oder Blödsinn im Kopf haben. Nun meine Fragen:
Gibt es in der Dressur von Großkatzen Anhaltspunkte, dass der Tierlehrer sagt, bis zu dem Alter müssen sie z. B. platzsicher sein, und bis dann müssen sie bestimmte Übungen können?
Wie lange können Grosskatzen überhaupt neue Tricks lernen, oder kann man ihnen in einem bestimmte Alter nichts mehr beibringen?
Ich bin auch sicher, dass es bei den Katzen fließende Übergänge gibt. Der Eine lernt schneller als der andere, vergisst einen einstudierten Trick aber vielleicht auch eher wieder?
Das ist bei uns Menschen ja ähnlich. Aber bei uns heißt es auch, was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
Sind die Katzen hier vielleicht "intelligenter" auf ihre Art natürlich.

Antwort von Othmar:
Du hast das sehr richtig beobachtet. Bei allen Tieren gibt es verschiedene Charakter, Gemueter und Talente, aber auch Intelligenzgrade.
Auch ist es richtig, dass junge Tiere besser lernen als aeltere Tiere.
Es sind dies Tatsachen auf die ein Tierlehrer Ruecksicht nehmen muss.
Es gibt Tierlehrer die, wie ich das nenne, einen Lehrplan erstellen, in dem sie sagen "bis zu dem Alter muss das Tier das lernen" oder aber auch "in so und so viel Wochen muss das Tier platzsicher sein". Persoehnlich halte ich nicht viel von solchem denken und handeln. Der Grund dafuer ist, dass sollte man diesen Plan nicht einhalten koennen wird man nervoes oder man faengt an sich zu beieilen. Dieser Umstand kann dann Rueckschlaege in der Dressur bringen.
Ich habe immer viel mehr Erfolg gehabt mit meinem Plan welcher lautet; "Nehme nie mehr von einem Tier als es bereit ist dir zu geben". Ich habe Tiger gehabt die brauchten nur ein paar Tage um platzsicher zu werden, aber es bei anderen vieleicht zwei oder mehr Wochen dauerte.
Tiere sind auf ihre Art sehr viel intelligenter als Menschen, aus dem einfachen Grund weil sie anders denken als Menschen. Menschen denken oft auf sehr komplizierte Weise, auch haben diese Ethik und Moral andressiert bekommen. Dieses und viele andere Gruende sorgen beim Menschen dafuer, dass er oft nicht sehr logisch ist und seinem Ziel selbst im Wege steht. Tiere sind da ganz anderst, sie denken und handeln intuitiv logisch, in anderen Worten gesagt, bei Tieren gibt 1+1 immer = 2 ohne wenn und aber oder vieleicht. Dies macht den Umgang mit Tieren oft viel angenehmer und das schneller Lernen auch. Dadurch sind Tiere mehr lernfaehig bis ins hohe Alter, als Menschen dies sind.

Moegen alle deine Tage Zirkustage sein voller Freude und Heiterkeit.
Othmar
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Klaus » 19.03.2010, 20:46

Hallo Peter,

diese Auskünfte von Othmar sind so erschöpfend und fachlich interessant, dass man daraus einen Beitrag formen sollte beispielsweise für die Circus Zeitung oder diese Antworten in einer kleinen Broschüre festhalten sollte. Diese Antworten sind ja viel umfassender und verraten ein viel größeres Detail-Wissen als beispielsweise die Auskünfte von Prof. Zeeb in seinem Buch "Wie man Tiere im Zirkus ausbildet".

Man sollte daraus noch was machen!

Gruß Klaus
Viele Grüße
Klaus
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Admin » 19.03.2010, 20:53

Hallo Klaus,

darüber sollten wir uns mit Othmar unterhalten. Er hatte sowas ursprünglich mal vor, weiss aber nicht, ob er dies weiterverfolgt hat ?

Besorgt ihr einen Verlag dafür und ich/wir reden mit Othmar darüber, da er die Copyright-Rechte über seine Texte hat und diese dann einem Verlag vertraglich geregelt übergeben müsste.

Alle seine Texte sind brilliant und was wir da seit 2004 an Dialogen führten könnte in überarbeiteter Form ein interessantes Buch über Tierdressur ergeben.
Mit circensischen Grüßen

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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Klaus » 19.03.2010, 21:28

Hallo Peter,

mit dem Verlag ist das so eine Sache, denn viel Geld ist damit natürlich nicht zu verdienen – man weiß es ja. Aber ein Beitrag (oder Fortsetzungsbeitrag) für die Circus Zeitung, ausgestattet mit schönen Fotos, das wäre doch was! Natürlich muss Othmar damit einverstanden sein, das ist schon klar.
Viele Grüße
Klaus
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Admin » 19.03.2010, 22:23

Hallo Klaus,

um ein Druckwerk zu refinanzieren braucht man einen Verlag oder einen Sponsor. ;)

Was die Circuszeitung anbelangt, müsstest Du Dich darum kümmern, da ich dahin keinen Bezug mehr habe.
Mit circensischen Grüßen

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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Karsten » 19.03.2010, 22:32

Hallo Klaus, hallo Peter,

würde mich freuen, wenn Ihr mit Othmar berichttechnisch etwas in Gang bringen könntet.
Es wäre sicherlich eine große Bereicherung!

Grüsse
Karsten
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Klaus » 19.03.2010, 22:52

Das sehe ich auch als Bereicherung, weil die Dressur einzelner Tricks ja tatsächlich nirgendwo so detailliert und kompetent beschrieben wird. Ich stelle mir das dann noch illustriert vor mit passenden Fotos. Dies in die Circus Zeitung zu bringen, wäre kein Problem; man müsste mit Othmar sprechen.

Zu verdienen ist damit natürlich nichts. Aber gerade heute ist es wichtig, recht viel Wissen zu verbreiten über die Methodik der Dressur – und auf diese Weise könnte Othmar einen guten Beitrag für unsere gemeinsame Sache leisten. Abgesehen davon, dass auf diese Weise auch die Erinnerung an ihn wachgehalten würde – ich bin ja wohl hier der einzige, der Othmar Vöhringer einst in der Manege mal gesehen hat, in England bei Mary Chipperfield, bevor Othmar nach Asien ging.
Viele Grüße
Klaus
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Re: Fragen + Antworten über Raubtierdressur und -tierhaltung

Ungelesener Beitrag von Klaus » 19.03.2010, 22:55

Man könnte in der CZ dann als Quelle auch das Circusworld-Forum angeben. Die Sache müsste natürlich noch überarbeitet werden; ich würde es gern machen. Das wird garantiert auch gebracht in der Circus Zeitung, ich bin ja mit im Redaktionsteam. Ich denke mir vor allem auch viele schöne Fotos dazu, die Othmar sicher zur Verfügung stellen würde. Wäre doch eine tolle Sache.
Viele Grüße
Klaus
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