Tiger kennen keine Rachegelüste

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Henry
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Tiger kennen keine Rachegelüste

Ungelesener Beitrag von Henry » 28.03.2010, 22:11

Dompteur Christian Walliser
"Tiger kennen keine Rachegelüste"

Der Christian Walliser wurde vor vier Monaten von drei Tigern am Kopf, der Hand, Becken und Rücken verletzt. Im FR-Interview erzählt der Dompteur, wie er jetzt über die Raubtier-Attacke denkt.

Herr Walliser, sind Sie lebensmüde?
Nein.

Infantil?
Nein.

Debil?
Nein. Was sollen die Fragen?

Tierschützer werfen Ihnen genau das vor, weil Sie nach dem Unfall wieder mit Ihren Tigern auftreten. Diese Leute sagen auch, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Tiere Sie erneut angreifen.

Diese Leute haben keine Ahnung. Sie kennen weder mich noch meine Tiere. Sie wissen nicht, wie ich mit den Tigern trainiere, nichts darüber, wie ich sie halte. Und trotzdem gibt es diese Reaktionen. Ich habe erst diese Woche einen anonymen Brief bekommen, der Absender wünschte mir den Tod. Doch wenn so jemand nicht den Mumm hat, mit seinem Namen zu unterschreiben, und ich nicht antworten kann, geht mir das auf gut Deutsch "am Arsch vorbei".

Welche Erinnerungen haben Sie an den Tag, an dem die Tiger über Sie herfielen?

Der Boden war nicht mit Sägespänen bedeckt, wie ich das aus dem Zirkus gewohnt bin, sondern mit Gummimatten. Ich weiß nicht, ob das der Grund war, jedenfalls stolpere ich und falle in den Tiger. Der reagiert instinktiv und beißt mir in den Kopf. Ich höre dieses Knacken, mir wird heiß, ab dann weiß ich nichts mehr. Aber glauben Sie mir: Würde ich meine Tiere schlecht behandeln, wären sie bösartig und mir gegenüber aggressiv - dann hätten sie nicht mehr von mir abgelassen. Sie hätten versucht, mich in den Tunnel zu ziehen und in den Wagen und aus. Und versuchen Sie mal, einem Raubtier seine Beute abzunehmen. Unmöglich.

Welche Vorwürfe müssen Sie sich gefallen lassen?

Die drei Tiger, mit denen es zu dem Unfall kam, hatte ich erst im September gekauft. Ich kannte sie noch nicht so gut wie andere Tiere, die ich von Geburt an aufgezogen habe, und sie mich nicht. Wahrscheinlich war es voreilig, sie so früh vor Publikum mit in die Show zu nehmen. Und ich habe nicht die nötige Distanz von ein bis zwei Metern gewahrt, bei der so ein Stolperer glimpflicher abgelaufen wäre. Ich muss diese Fehler erkennen, um solche Situationen zukünftig vermeiden zu können.

Sie wurden lebensgefährlich verletzt, lagen im Koma. Dass Sie ohne schwere Folgeschäden so schnell genesen sind, grenzt an ein Wunder. Haben Sie nie darüber nachgedacht, aufzuhören?

Warum sollte ich aufhören, mit diesen Tieren zu arbeiten? Das ganze Leben ist doch gefährlich. Ein Dachdecker, der abstürzt und ohne bleibende Schäden überlebt, arbeitet weiter, genau wie ein Rennfahrer nach einem schweren Unfall weiterfährt. Diese Tiger sind meine Leidenschaft, mein Lebensinhalt. Der Rest ist Berufsrisiko. Ein Arzt aus dem Publikum, der Erste Hilfe leistete, erzählte mir später, dass ich auf dem Weg in den Krankenwagen nur von meinen Tigern geredet habe und davon, dass man sie gut versorgen soll.

Wie war die erste Begegnung mit den Tigern nach dem Unfall? Die Verletzungen an Ihrem Körper waren nicht zu übersehen. Waren Sie sofort wieder das akzeptierte Alphatier?

Von der ersten Sekunde an. Sie haben sich regelrecht gefreut, mich zu sehen. Und da saß ich noch im Rollstuhl. Sie haben sich an die Gitterstäbe gedrückt, sich streicheln lassen, obwohl sie so lange ohne mich als ihre Bezugsperson auskommen mussten und darunter litten. Aber diese Tiere kennen keine Rachegelüste. Sie haben später auch keine Anstalten gemacht, mich zu testen. Ich konnte kaum laufen, stand mit einer Krücke vor meinen Tigern und keiner versuchte, mir den Rang streitig zu machen.

Und dann der erste Auftritt vor Publikum im März. Haben Sie diese Show als jene Mutprobe erlebt, von der hinterher in den Zeitungen zu lesen war?

Überhaupt nicht. Sehen Sie, die vielen Genesungswünsche, Postkarten, Geschenke von teilweise wildfremden Menschen, die Unterstützung durch meine Familie, von Freunden. Das alles hat mir unglaublich viel Kraft gegeben. Beim ersten Training, war es, als hätte es diese lange Pause nie gegeben. Deshalb war ich bei dem ersten Auftritt nicht nervöser als früher. Und deshalb würde ich auch nicht von einem Comeback sprechen.

Sie haben Ihre Arbeit in der Manege mal als eine Art Machtkampf beschrieben, bei dem Sie den Tigern keine Schwäche zeigen dürfen. Hinter Ihnen liegen sieben Operationen, Sie nehmen regelmäßig Morphiumtabletten gegen die Schmerzen. Wie stark sind Sie?

Im Alltag schränken mich die Verletzungen natürlich ein. Ich kann keine schweren Dinge heben und tragen, ich humpele hin und wieder. Doch sobald ich in der Manege stehe, bin ich auf meine Tiere und die Show fokussiert. Ich vergesse alles um mich herum und die Schmerzen verschwinden. Sie sind einfach weg.

(Interview: Sebastian Gehrmann)

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/ ... ueste.html
Gruss

Henry
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Othmar
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Re: Tiger kennen keine Rachegelüste

Ungelesener Beitrag von Othmar » 21.05.2010, 07:51

Da hat der Christian Recht. Tiger, aber auch andere Tiere, kennen die Emotion von Rache nicht. Tiere sehen eine Situation und Reagieren darauf. Die Reaktion mag fuer den Menschen oft Unverstaedlich Erscheinen ist aber in jedem Fall eine Entscheidung des Tieres das ihm im Moment Erfolg verspricht. Dazu muss man verstehen das Tiere immer im hier und jetzt leben und nicht in die Zukunft denken aber auch nicht der Vergangenheit "nachweinen."

Ich hatte mal einen Unfall mit Loewen. Der Loewe hatte eine Chance gesehen "Oberloewe" zu werden und hat diese Augenblicklich wargenommen. Fuer die Umstehenden hat das ausgesehen wie ein Angriff aus heiterm Himmel. Ich aber wusste das es nur eine Frage der Zeit war habe aber nicht erwarted das der angriff in dem Moment geschehen wuerde und daher wurde ich vollkommen ueberascht und demzuvolge dann auch schwer Verletzt.
Moegen alle deine Tage Zirkustage sein voll Freude und Heiterkeit.

Othmar
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De Larott
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Re: Tiger kennen keine Rachegelüste

Ungelesener Beitrag von De Larott » 23.05.2010, 10:39

Was auch eine sehr große Gefahr bedeutet ist die Tatsache, dass wenn eine Raubkatze in der Vorstellung Anzeichen macht, dass sie heute evtl. kreativ an der Rangordnung basteln will, so hat der Dresseur keine Möglichkeit das zu verhindern. Normalerweise müßte er die Katze im Ansatz "überzeugen", dass die Idee sehr schlecht war. Leider würde dieser Dresseur sofort ausgepfiffen, Tierschützer würden ihn zerreißen. In der Probe, ohne Publikum spuren die Katzen gut, sie merken aber, wann Training und wann Vorstellung ist. Sobald die Primaner merken, der Lehrer ist bei der Vorstellung ganz anders, lässt vieles "durchgehen", baut sich ein Gefahrenpotential auf. Leider haben die "Guten Menschen" im Publikum noch nicht begriffen, dass man nicht mit Löwen, Tigern und Leoparden arbeiten kann, wenn man die Peitsche gegen die Drohung eines 2 wöchigen Fernsehverbot eintauscht.
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