Sinn und Unsinn
Wo die wilden Tiere wohnen
Der Verhaltensbiologe Immanuel Birmelin erforscht die Beziehung von Elefant oder Löwe zum Menschen. Ist doch alles ganz natürlich, findet er.
Von Barbara Hordych
Mala hält erschrocken inne. Die afrikanische Elefantenkuh muss damit zurechtkommen, dass plötzlich ein anderer Elefant direkt vor ihr steht und sie anschaut. Das macht sie offenbar wütend: Sie trompetet, Schwanz nach oben - und will auf ihr Gegenüber losgehen. Doch der Tiertrainer neben ihr redet sanft auf Mala ein; er führt sie an einer dünnen Leine, bringt sie erst zehn Zentimeter vor dem Spiegel zum Stehen. Was Mala (noch) nicht begreift: Ihr vermeintlicher Widersacher ist sie selbst. Die Frage ist: Wird sie sich selbst erkennen?
Die Szene stammt von einem Elefantenhof in Mecklenburg. Aus einer Versuchsanordnung des Tierverhaltensforschers Immanuel Birmelin und des Tiertrainers Sonni Frankello. Birmelin führt ein Video davon vor, als man ihn in seinem Haus in Freiburg besucht. Denn dieser Test zeige mehr als die meisten Erklärungen, findet der Wissenschaftler. Es geht dabei auch um die wichtige Frage, wie jemand erreicht, dass ein - normalerweise wild lebendes - Tier tut, was man von ihm verlangt.
Birmelin rühmt den Versuch als "Sternstunde in der Mensch-Tier-Kommunikation", schwärmt davon, wie Frankello Vertrauen zu Mala aufbaut: "Sonni ist in vierter Generation Elefanten-Trainer, das ist fantastisch, wie er nur über seine Stimme mit seinen Tieren kommuniziert. Da ist keinerlei Druck oder Angst." Der 72-jährige Verhaltensbiologe fährt sich energisch durchs weiße Haar. Man kann jetzt dabei zusehen, wie er sich vor dem Computer in Rage gestikuliert: "Einfach absurd" sei es, dass es Leute gebe, die im Training Frankellos Tierquälerei zu entdecken glauben.
Birmelin ist mit seinen Forschungen zur Kognition bei Tieren, mit Buchveröffentlichungen wie "Haben Tiere ein Bewusstsein?" oder "Tierisch intelligent" einer der maßgeblichen Verhaltensbiologen in Deutschland. Seit mehr als 30 Jahren widmet er sich der Erforschung von Haus-, Zoo- und Zirkustieren, von Hunden, Katzen und Sittichen ebenso wie von Löwen oder Elefanten. Besonders interessant macht den Gründer des Vereins für Verhaltensforschung aber derzeit sein Spezialgebiet: die wissenschaftliche Erfassung von Tierschutzfragen und seine Arbeit als international anerkannter Sachverständiger für artgerechte Tierhaltung - ein hochvermintes Gebiet natürlich.
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