Erinnerungen an Marvelli

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igros45
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Erinnerungen an Marvelli

Ungelesener Beitrag von igros45 » 04.11.2012, 17:31

Copyrights ® by „igros45“ Nachdruck auch Auszugsweise nur mit schriftl. Genehmigung von mir.

Marvelli „II“ oder „Olof Bechle der Magier ohne Gleichen“

Erst hier in“Circusworld“ habe ich beim Lesen der interessanten Geschichten und Berichte in den einzelnen Foren bemerkt, dass auch ich in meinen vielen Jahren die ein- oder andere Begegnung mit
Menschen hatte, die man allgemein der „Showbranche“ zuordnen kann.
Und obwohl ich hier und da nur bruchstückhafte Erinnerungen daran habe, hat mir mein Talent die
Fähigkeit gegeben, zu Rekonstruieren und zu Ergänzen was vergessen.

Marvelli habe ich, wie ich nun erinnere, schon ca 1954 in Bad Kissingen erleben dürfen, im großen Kursaal des Kurhauses dort. Glauben Sie mir, es war faszinierend! Ich war noch ein kleiner fast
9 jähriger Bengel, der in einen Anzug gesteckt und mit drückendem weißen Hemdkragen auf lieb und
„hierher passend“ getrimmt war und eigentlich anderes im Kopf hatte.
Mein Markenzeichen waren ständig aufgeschlagene Knie, verschmierter Mund mit irgendwelchen
Spuren von irgendwas in den Mundwinkeln, die Tante wie Oma immer wieder zu Entsetzensausrufen
hinrissen und die mich dann sofort zwangen auf ein Taschentuch zu spucken um mir damit dann den Mund zu säubern.
Und Zaubern konnte ich auch. Was glauben Sie, was so abends aus meinen Taschen alles auftauchte.
Tote Käfer, Kreide, Gummiband und Klicker. Angekauter Kaugummi und an der Hosentasche fest
geklebter Bonbon. Nägel und ein Messerchen. Und viel Sand.All das zauberte meine Tante in täglich wechselnder Sortierung aus meinen Taschen. Ob das nun Marvelli I oder Marvelli II war, der dort auftrat weiß ich nicht, aber er hatte ähnlich verschiedene Dinge wie ich in seinen Taschen, wie Omi bemerkte.
Meine Erinnerungen sind aber leider hier und da bruchstückhaft, zumal wenn die Demenz schon manchmal mit Lücken droht und sich damit meinem Gebiss anpasst.
Und wie hat der große Heinz Erhardt einst so treffend formuliert:
„Die alten Zähne wurden schlecht und man begann sie auszureissen.
Die neuen kamen grade recht um damit ins Gras zu beißen!“
Also jedenfalls hat mir die Zauber-Vorstellung damals riesig gefallen und wenn ich nicht so ein fauler
und hyperaktiver Knirps gewesen wäre, hätte ich sofort gewusst, was ich werden und erreichen wollte.
Leute, vor allem die schwebende Kugel und das indische Seil und der nie leer werdende Krug mit
Wasser und Wein, oder Saft und die fliegenden Spielkarten und aus dem Zauberstab erscheinende Blumensträuße und unzählige „Zylinder geborene“ weiße Kaninchen.
Mensch, wie das da abging. Unfassbar für mich als Stepke und immer noch unfassbar für mich als Mann.
Und da war er wieder. Marvelli II jetzt ca. 1970/71 hat er mich wieder auf die Zauberei gebracht, als er in einem Festzelt in auftrat ( ja wenn ich noch wüsste wo!) Schlagen Sie mich nicht, aber ich bin immer sehr viel herumgekommen und zu der Zeit war ich sowohl oft in Frankfurt am Main als auch in Kaiserslautern und Mannheim und München unterwegs) also nehmen wir einfach um dem Kind einen Namen zu geben an, es war in Kaiserslautern. Der „große Marvelli“ war Stargast dort (oder war es doch Frankfurt?) auf einer Kirmes (Kerwe, Kirchweih, Rummel) und präsentierte ähnlich wie damals in Bad Kissingen (oder war es Bad Brückenau?) Zaubereien mit stilvoll humoristisch geprägten und auch von Ironie strotzenden Begleit-Worten, die mir allerdings etwas suspekt waren, da Leute, die viel Labern, immer von etwas ablenken wollen.
Wie Haustürvertreter o.ä. Wenn Sie verstehen was ich meine. Letztlich war das aber auch hier der Sinn seiner einlullenden Geschichten die nicht ihre Wirkung verfehlten.
Ich natürlich an einem Tisch in vorderster Reihe und schon war mir klar, dass ich für mein Vordrängeln wahrscheinlich als Strafe auf die Bühne müsse, wenn er anfängt auszusuchen.
Alles lief darauf hin und so kam es denn auch. Na klar!




Er wolle einen Freiwilligen aus dem Publikum in einer Kiste auf der Bühne eingesperrt verschwinden lassen und ich war der Auserwählte. Mein Herz klopfte und als ich oben neben ihm (der wie aus dem Ei gepellt in einem Frack, oder im Dinnerjacket ? ) stand und ich nur mit Jeans und offenem Hemd nun daneben als Kontrastprogramm, rutschte mir noch dazu das Herz in die Hose.
Nun eröffnete er mir und dem Publikum, dass ich keine Angst zu haben brauche, da er doch lieber
seine Assistentin in die Kiste stecke aus Gründen der damit verbunden Gefahr und ich nur die Ketten
und die Schlösser kontrollieren solle, die die Kiste von allen Seiten fest verschließen würden.
Die Kiste wurde geöffnet, seine atemberaubend schöne sexy Assistentin in knappem Glitzerkostüm
trat zur Kiste und er, der große Marvelli flüsterte mir, mit dem Rücken zum Publikum zwischen
zwei seiner lauten erklärenden Sätze über das Folgegeschen, leise zu: „ Wenn die jetzt in die Kiste
steigt, steigen Sie einfach dazu, klar?!“ Ich kam gar nicht dazu das richtig zu begreifen, als die Sex-
Göttin schon in die Kiste stieg und er mich kurz aber fest mit einem „los“ aus dem Mundwinkel zur
Kiste stieß. Ich tat wie mir geheißen, hatte aber grade erst das rechte Bein gehoben zum einsteigen,
als er mich grob zurück riss und unter lautem Lachen und Beifall des Publikums laut und deutlich
belehrte: „ Ja, das würde Ihnen so passen, junger Mann, jetzt mit meiner Assistentin in die Kiste zu
steigen!!!!“ Hahahahhahaaaaa !!!!...schon merkte ich Dummerchen wofür ich herhalten musste und
verdammte den Kerl zutiefst, denn ich fühlte mich blamiert, zumal ich ja mit guten Freunden und
Bekannten dort war und der Spott mir nun sicher war!
Egal, dafür bekam ich zum Schluss auch hinten im Zelt im Requisiten-Lager, die auch als Künstler
Garderobe herhielt eine Autogramm-Karte mit Widmung und.........einen weiteren Blick hinter die Kulissen. der Magie
Denn dort stand das große Brett, an dem er bei einem anderen Trick immer neue aus seinem Zylinder gezauberte, jeweils klingelnde Wecker, gehängt hatte. Mindestens 25 Stück.
Auch diesen Trick fand ich enorm und nun enträtselte er sich mir, quasi als Entschädigung für die
vorhergehende Ausnutzung meiner Blödheit für seinen Lacher.
Einer der Wecker war nämlich runter gefallen von seinem Haken und lag mit dem Rücken nach oben
und ich sah, dass er aus ganz dünnem Plastik war, und hohl.
Er konnte also Unmengen von diesen Weckern ineinander gestapelt, mit schwarzer Rückseite in
seinem Zylinder aufbewahren und der Clou war eine typische Wecker-Klingel ,die an dem Brett
auf der Rückseite angebracht war, verbunden mit einer elektr. Schnur die zu einem Trittknopf
führte. Jetzt konnte er die Plastikwecker mit der täuschend ähnlichen Vorderseite jeweils mit oder
nach einem Klingeln aus dem Zylinder holen, hochheben, mit einem Klaps auf die Wecker-Klingel
zum schweigen bringen und an den Haken auf dem Brett hängen.
Verblüffender Effekt für das Publikum und eine Erkenntnis mehr für mich.
Zum guten Schluss will ich nun noch eine kurze Anekdote zum Besten geben, die Sie aber bitte
zweimal lesen, damit keine falschen Schlüsse gezogen werden.
Als Marvelli 'mal in einer Sauna sass, an einem Montag mittag, ( da war es nie so voll und er
liebte die Ruhe und Einsamkeit) und grade zu schwitzen begann, betrat ein zweiter Gast den
heißen Raum, grüßte, setzte sich und.........schaute irgendwie verblüfft zu unserem Protagonisten.
„Sagen Sie mal – und bitte verzeihen Sie dass ich Sie anspreche“ begann der Mann. „Sind Sie nicht
der....., na der....... also ich denke doch....... der berühmter Magier Marvelli ????“
Marvelli, so ertappt und sich seine Ruhe wünschend bejahte das kurz angebunden und drehte sich
zur anderen Seite. Pustekuchen! Der Fremde legte nun erst richtig los: „Also, lieber Herr Marvelli,
das finde ich ja sensationell und es ist mir eine Ehre und ein Festtag, Sie hier zufällig zu treffen.
Ich bin hin und weg. Mein Gott, ich bin ein großer Bewunderer Ihrer Kunst. Vielen Dank für viele
schöne Momente!.“ „Ja, ist ja schon gut“ entgegnete der Meister, aber schon zufrieden dass man ihn
erkannt hatte und nun Gesprächsbereiter seinem Fan gegenüber. „Wenn Sie eine Autogrammkarte wollen,dann bitte ich Sie bis nach der Sauna zu warten, die habe ich in meinem Spind draußen!“
„Lieber Herr Marvelli“da der andere „Ein Autogramm wäre schön, aber noch schöner wäre es, wenn
Sie mir eine Frage beantworten würden!“ Marvelli schon wieder etwas genervter: „ Ja, wenn es
denn unbedingt sein muss, in Gottes Namen, fragen Sie halt!“




Sagen Sie Herr Marvelli, auf der Bühne, so mit allen Hilfsmitteln und Helfern und mit viel Vorbereitung, da können sie natürlich zaubern und glänzen und Erstaunen verbreiten. Aber hier nun so unter uns, ganz nackt und bloß, ohne jedes Hilfsmittel, könnten Sie da auch zaubern. Irgendwas verblüffendes vorführen?? Ach nee, ich glaube das können Sie nicht. Das könnte keiner!!“
Das ärgerte unseren Zauberer und natürlich war er auch etwas in seiner Ehre gekränkt, grübelte kurz und
antwortete: „ Doch, wenn Sie drauf bestehen, das könnte ich – vorausgesetzt Sie sind zum Mitmachen
bereit!“ Natürlich war der andere bereit! Jetzt endlich würde er leibhaftig auf kurze Distanz das Können
von dem berühmten Marvelli erleben. Und schon ging' s los: „Ich“ sprach der Künstler „werde Ihnen
jetzt – und dazu bitte ich Sie sich mit dem Rücken zu mir - leicht zu bücken. Dann werde ich, da ohne
jedes Hilfsmittel hier und ohne Requsiten, meinen rechten Daumen in Ihren Hintern schieben!
Verstanden? Und damit werden ich Ihnen zeigen was Zauberei ist!!““
Gesagt getan. Der neugierige Aufdringling drehte und bückte sich.
Marvelli trat hinter ihn und begann die Prozedur.
Dabei fragte er vorsichtig: „Na, merken Sie schon etwas? - Nein? Gut, noch eine Sekunde – merken
Sie jetzt etwas?“ „JA jetzt!!“ rief darauf der Gebückte. „Ganz deutlich spüre ich Ihren Daumen!“
Darauf streckte Marvelli seine Arme nach vorne zum Gesicht des Opfers, zeigte seine schönen
schmalen Hände und sagte trocken: „ So!! und sehen Sie............ hier habe ich noch zwei davon!!!“
Hahahhahahahahhaaaa!!!!!
Ein Brüller, oder?

Und ehe Sie nun schlecht von Herrn Marvelli denken kläre ich Sie auf:
Es ist auch für einen Zauberer ganz privat immer von Vorteil den Fake-Daumen-Aufsatz bei sich
zu haben. Oder?
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