Klaus Lüthje's Rückblicke:

Geschichte des Circus, Geschichten, Anekdoten, Rückblicke, Circusmuseum und Circusbauten, Fotos, Programmhefte, ...
Bilder von Chapiteaus, Fahrzeugen, Wägen, sonstiges ..., der Gegenwart und der Vergangenheit.
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Klaus
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Klaus Lüthje's Rückblicke:

Ungelesener Beitrag von Klaus » 04.07.2007, 17:21

Fragt man jüngere Circusfreunde nach dem Circusnamen "Gleich", werden sie verständnislos mit den Achseln zucken. Man kennt den Circus Gleich nicht mehr. Und doch war der deutsche "Riesen-Circus Gleich" Mitte der 20er Jahre einer der größten in Europa, damals eine ernsthafte Konkurrenz für Krone und Sarrasani. Zeitweise reiste er, dem Zeitgeschmack entsprechend, mit drei Manegen.

Sein Direktor, Julius Gleich, hatte 1914 als Musiker und Kapellmeister bei Circus Kludsky angefangen, wo er die Reiterin Karola Henny kennenlernte und heiratete; beide machten sich mit dem Circus Henny selbständig. Daraus ging der Circus Gleich hervor, der sich schon 1923 "Europäischer Barnum & Bailey" nannte. Die Methoden dieses Unternehmens waren ausgesprochen reißerisch, so dass über Julius Gleich nicht immer Gutes berichtet wurde. Unter den Nazis hatte er es schwer, wurde seine Frau doch zur "Halbjüdin" erklärt. 1937 stellte Gleich seinen Betrieb ein.

Nach dem Kriege – im Frühjahr 1951 – suchte Julius Gleich per Anzeigen in der Fachpresse wieder Personal; offenbar wollte er erneut rausfahren. Daraus wurde nichts. Inzwischen ist Julius Gleich schon lange verstorben; ich meine, er wurde im Rheinland begraben.

Seine Enkel, die Zwillingsbrüder Berni und Theo Jostmann, waren während der 60er Jahre mit Pferden von Klant bei verschiedenen Unternehmen zu sehen, u. a. bei Willy Hagenbeck, Roland und Rudy Bros. Auch zu Kreiser Barum hatten die Jostmanns, hier noch die vorangegangene Generation, immer einen guten Draht: enge Verwandte von Julius Gleich, dem heute vergessenen Direktor, dessen Circus vor 80 Jahren europaweit auf Reisen war, damals einer der größten überhaupt.

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Einst gefragt: Artisten aus Neukölln

Ungelesener Beitrag von Klaus » 04.07.2007, 17:23

Hallo Freunde,

wer weiß eigentlich noch, dass vor 50 Jahren viele berühmte Artistennummern im Circus und am Varieté aus Deutschland kamen? Große Truppen ebenso wie Einzel-Darbietungen. Viele dieser Artisten kamen aus Berlin, und hier wiederum aus dem Stadtteil Neukölln. Dieser Bezirk galt immer als wahre Artistenhochburg. Das ist zwar lange her, doch viele "Ehemalige" leben hier noch und pflegen die Erinnerung an die große Zeit der "Berliner Artisten".

Jetzt könnten viele Namen aufgeführt werden, z. B. die Schleuderbrett-Gruppen Asgards, Waldos, Cervantes. Die waren schon vor dem Krieg auf den großen Varieté-Bühnen zu bewundern: Wintergarten, Scala usw. Sie waren natürlich im Circus zu erleben, die Waldos zum Beispiel reisten mit Carl Hagenbeck um die Welt. Noch während der 50er Jahre sah man die Asgards und auch die Waldos bei Paula Busch, Aeros, Barlay, Roland – aber natürlich auch international in den großen Programmen.

Die Lorandos auf dem Drahtseil müssten genannt sein, die Ikarier Allisons, die Schlappseil-Artisten Ellon und Tamar, aber noch viele, viele andere. Sie kannten sich natürlich alle, diese Berliner Artisten von einst, und fast alle waren sie Mitglied in einem der Artisten-Vereine, von denen es mehrere gab –"Einigkeit" oder "Union-Viktoria" zum Beispiel. Diese Vereine hatten stets eine Turnhalle gemietet, wo die Darbietungen zu üben pflegten in der Zeit ohne Engagement.

Die Berliner Artistik hatte Tradition. In alter Zeit waren es die Turnvereine, aus denen sich die Artisten rekrutierten, zumal die seit der Jahrhundertwende aufgekommenden Varietés einen großen Bedarf an Darbietungen hatten. Als dann Artisten aus dem Ostblock vermehrt im Westen Engagements fanden, veränderte sich die Szenerie des Circus. Ostblock-Artisten waren preiswert zu haben; die deutschen Artistentruppen, obwohl mit guten Leistungen, hatten das Nachsehen. Hinzu kam das große Varieté-Sterben, das während der 60er Jahre in der Bundesrepublik um sich griff. Die deutschen Artisten zogen sich zurück. Die großen Nummern – gerade auch aus Berlin – sind heute Legende.

Auch die Herta-Romanos-Truppe (12 Personen) mit ihren "römischen Pyramiden" zählte einst zu ihnen. Sylvia und Heinz Wünsch, langjährige Mitglieder bei dieser Truppe, waren jetzt Gäste in Berlin beim Circusabend der GCD. Gerne beantworteten sie unsere vielen Fragen. Die große Zeit der Berliner Artisten wurde noch einmal lebendig. So sei auch an dieser Stelle daran erinnert!

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Vor 45 Jahren: Circus G. Brumbach eingestellt

Ungelesener Beitrag von Klaus » 04.07.2007, 17:23

Kaum einer kennt ihn heute noch, den Circus Gustav Brumbach, der zuletzt als Groß-Circus Bavaria firmierte und der heute vor 45 Jahren in Ramstein (Kreis Kaiserslautern) seine letzte Vorstellung gab.

Dieses Unternehmen ("Circus G. Brumbach GmbH") ist seit 1945 bis auf den heutigen Tag der einzige wirklich bedeutende Circus der Brumbachs geblieben. Der Circus G. Brumbach galt zu Recht als seriöser Groß-Circus.

Belastet aus der Nazi-Zeit, war es Gustav Brumbach nach 1945 zunächst nicht möglich, mit seinem Material wieder auf die Reise zu gehen. So tat er sich mit Harry Barlay zusammen; zeitweise ging das Brumbach-Material als Zweitgeschäft des Circus Barlay auf Tour, damals in der gerade entstandenen DDR, in der es noch keinen staatlichen Circus gab. 1949 kam es zu einem abenteuerlichen Ereignis, das Schlagzeilen produzierte: Gustav Brumbach war mit Tieren und Wagen über die Zonengrenze geflohen. In Westdeutschland baute er sich einen neuen Circus auf, der über etliche Jahre auch Erfolg hatte.

Anfang der 60er Jahre – in der Bundesrepublik griff die Circuskrise um sich – wurde die Situation schwierig für den Circus G. Brumbach. Die unseriösen Circusse des Namens "Brumbach" (also die liebe Verwandtschaft) machten dem "Großen" das Leben schwer. Dieser firmierte nun zur Unterscheidung als "Circus Bavaria", doch der Circus war nicht mehr zu retten. Die Presse schrieb: "Obwohl das Unternehmen Tourneen bis 1962 abgeschlossen hatte, entschloß sich der 70jährige Direktor zur Auflösung, da die steuerlichen Belastungen, Platzmieten und sonstige öffentliche Abgaben eine Weiterführung nicht mehr rechtfertigen. Seit April dieses Jahres habe das Unternehmen fast 80.000 Mark zusetzen müssen."

Gustav Brumbach soll kein armer Mann gewesen sein. Er soll ein Jagdgebiet besessen haben und wollte sich nun seinem Hobby widmen. So erzählte damals unser Fritz Dillenberg, der GCD-Gründer und Berliner Sektionsleiter. Ob es stimmte, ich weiß es nicht, aber warum nicht...

Mir liegt das letzte Programmheft des Circus Bavaria vor. Ein echtes und vielseitges Circusprogramm: gemischte Eis- und Kragenbärennummer, Hermann Althoff mit Elefanten, Edmund Meschke jun. mit diversen Freiheitsdressuren (u.a. 16er Zug Rappen!), doppelte Hohe Schule der Geschwister Marschner mit Lipizzaner und Elefant, Les Noris auf Fahrrädern, die Antipodistin Hella Hodgini, die Wang-Hong-Fang-Truppe mit chinesischer Akrobatik, die Astoris auf dem Trampolin, die Equilibristin Gitta Morelly, Marcella und Kapitän Schmidt mit ihren Seelöwen, die bekannte Jongleur-Darbietung zu Pferde der Brumbachs.

Schließlich die große Cowboy-Reiterei, eine Reitertruppe mit vielen Personen, in der wohl auch Fatima Brumbach, die damalige Frau von Horst Brumbach mitwirkte: keine andere als Frau Fatima Althoff, heute bei Barum in der Restauration. Sie könnte aus dieser Zeit viel mehr erzählen...

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Zur Geschichte des Circus – eine Lagebeurteilung

Ungelesener Beitrag von Klaus » 04.07.2007, 17:31

Sollte der Circus einmal von der Bildfläche verschwinden, so wird er in zahlreichen Überlieferungen weiterleben als die volkstümliche Unterhaltung, die so viele Generationen in ihren Bann gezogen hat. Gute 230 Jahre hat der neuzeitliche Circus auf dem Buckel, bei London soll seine Wiege gestanden haben. Hier hatte der Ex-Dragoner Philipp Astley im Jahre 1768 bei seinen Reit- und Pferdevorführungen auch Akrobaten und Clowns auftreten lassen: der moderne Circus war somit geboren. Astley´s Idee fand ihre Nachahmer. Von England nahm der Circus seinen Siegeslauf über Frankreich nach Deutschland. Ernst Renz, der ehemalige Seiltänzerjunge, machte die Circuskunst in deutschen Landen populär. Es gab andere vor ihm, aber als Begründer des Circus steht heute sein Name in jedem Lexikon.

Nach landläufiger Auffassung ist der Circus vor allem eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts, als er wahrhaft volkstümlich war. Zur Kaiserzeit gab es in den großen Städten noch die festen Circusbauten, aber die Zahl der reisenden Tent-Unternehmen nahm beständig zu. Nie wieder hatten die Circuszelte so gigantische Ausmaße wie in den 20er Jahren. Krone, Stosch-Sarrasani, Gleich, Strassburger, Barum, Kludsky, Kapitän Alfred Schneider und andere entwickelten sich zu riesigen Zeltunternehmen; einige arbeiteten nach amerikanischem Muster mit drei Manegen.

Nicht zu übersehen war das Aufblühen des Circus nach dem zweiten Weltkrieg. Als mit der Verbreitung des Fernsehens und der Zunahme des Wohlstands ein verändertes Freizeitverhalten einherging, sprach man bald vom Circussterben – jedenfalls im "Westen". Nicht allein in Deutschland schlossen sich die Circusliebhaber in einem Verein zusammen. Sie wollten den Circusgedanken pflegen und sich auf ideelle Weise einsetzen für den Erhalt des echten Circus. So wurde am 15. Juni 1955 in West-Berlin die Gesellschaft der Circusfreunde ins Leben gerufen mit Fritz Dillenberg an der Spitze (der Autor dieser Zeilen wurde im April 1956 Mitglied als einer der ersten Jugendlichen in diesem Verein).

Das Auftauchen von Roncalli vor nun schon rund 30 Jahren war mehr als nur ein Stilbruch für die Circuswelt. Wertungen und Maßstäbe gerieten durcheinander. Hatten bislang Abenteuer und Romantik das Erscheinungsbild des Circus geprägt, so sprach man plötzlich von Poesie und von Wundern – Floskeln, die er Sprache eines André Heller entstammten und mit denen die Circusleute im Grunde wenig anfangen konnten.

Inzwischen gibt es so viele Circusunternehmen wie nie zuvor, und doch können viele die alten Erwartungen nicht erfüllen. Immer mehr gerät der Circus zum Spaßvergnügen für die Allerkleinsten. Viele Unternehmen machen sich überhaupt nicht mehr die Mühe, ein anderes Publikum zu erreichen. Auf der anderen Seite gerieren sich Veranstaltungen als "Circus", für die eine zutreffende Bezeichnung erst gefunden werden müsste. Immerhin, es gibt ihn noch, den guten alten Circus, aber wir haben uns an leere Bankreihen in den Vorstellungen gewöhnen müssen – allerdings auch an mäßig gefüllte Theaterräume und an Musical-Aufführungen vor halb besetztem Haus.

Eine nachdenklich stimmende Lagebeurteilung. Gewiss, aber es besteht Grund, sie hier so niederzuschreiben. Nichtsdestotrotz, der Circus hat es bisher noch immer geschafft...

Mit "eingeschränktem" Optimismus die besten Grüße an alle

Klaus
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Ich liebe Circusmusik

Ungelesener Beitrag von Klaus » 04.07.2007, 17:33

Liebe Freunde,

den nachfolgenden kleinen Beitrag hatte ich mal in der Circus Zeitung veröffentlicht. Ihn hier nochmals niederzuschreiben, ist eigentlich nicht ganz fair. Ich tue es trotzdem, weil er meine Vorliebe für Circusmusik widerspiegelt – und weil Jürgen K. hier im Forum mitliest:

Vor 40 Jahren, als ein Live-Orchester im Circus so selbstverständlich war wie das Sägemehl in der Manege, schwärmte ich für Circusmusik. Sie festzuhalten mittels einer Tonbandaufnahme für den privaten Gebrauch war ein lang gehegter Wunsch. So zogen wir dann los – Klaus Kaulis, der heute bekannte Manegen-Moderator, und ich – mit einem klobigen Grundig-Gerät, Mikrofon und einigen Metern Kabelschnur hin zum Circus. Einfach war es nicht: es bedurfte eines Strom-Anschlusses auf dem Circusgelände, eines klanggünstigen Aufnahmeortes, und die Besucher der Vorstellung durften nicht gestört werden. Aus Urheberrechtsgründen benötigten wir die Erlaubnis der Direktion und des Orchesters. Doch es klappte recht gut, nicht zuletzt dank des technischen Geschicks von Klaus Kaulis.

Selten gab es Widerspruch. Bei Busch-Roland verwehrte uns der Regisseur Hans-Georg Kurth – was sein gutes Recht war – , seine Ansage per Band mitzuschneiden. Mit Argusaugen observierte uns seine Frau: das Gerät musste ausgeschaltet sein, wenn ihr Mann ans Mikrofon trat. Doch wir waren ja ehrlich, erfreuten uns an der Musik, kommerzielle Absichten lagen uns fern. Damals, um 1970, gelangen Klaus Kaulis, teils mit meiner Assistenz, viele Aufnahmen von bemerkenswerter Qualität, berücksichtigt man die bescheidenen technischen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung standen.

Erinnerungen. Eine davon: Günther Gebel-Williams, in seiner unkomplizierten, natürlichen Art, hatte uns gestattet, bei Williams die Musik aufzunehmen. So hockten wir mit unserem Tonband-Gerät unter der Sitzeinrichtung, wo wir einen Stromanschluss für unsere Zwecke entdeckt hatten. Von den Bankreihen über uns rieselte der Schmutz von den Schuhsohlen der Besucher auf uns herab. Mal kam der Circusportier mit der Taschenlampe vorbei in Erfüllung seines Auftrages, die unter die Sitzeinrichtung gefallenen Gegenstände der Besucher einzusammeln und vorn beim Fundbüro zu deponieren. Er staunte, was wir hier trieben.

Als ich viele Jahre später auf ein Angebot in der Circus Zeitung über die Niederlande eine alte Williams-Musik-Aufnahme bezog, erhielt ich zu meiner Überraschung unseren eigenen Mitschnitt (Klaus musste ihn weitergereicht haben). Diese Aufnahme mit Otto Kolmsees Musik kursiert vielleicht heute noch als Musik-Oldie unter den Circusfans (ich besitze sie nicht mehr). Entstanden ist sie 1967 im Circus Williams am Lützowufer zu Berlin.

Inzwischen gibt es das alles beim Circus zu kaufen, CD´s und Kassetten mit der Musik. Der alte Circus-Sound einer 13-Mann-Besetzung – mit dem kompletten Satz von Trompeten, Posaunen und weich klingenden Saxophonen – ist es aber nicht mehr...

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Re: Was für trapez acts habt ihr schon gesehen ?

Ungelesener Beitrag von Klaus » 05.07.2007, 22:19

Hallo Freunde,

zur Legende geworden sind natürlich die "3 Codonas" aus der Vorkriegszeit mit ihrem dreifachen Salto, der damals wirklich noch etwas Besonderes war (aber von den "Codonas" durchaus nicht zuerst gezeigt wurde). Nach dem Kriege waren die "8 Croneras" bei Krone eine Top-Nummer, die später auch mal bei Mey-Sarrasani zu sehen waren. Ihre Besonderheit war der Überkreuzflug. Diese Darbietung war bezeichnenderweise aus dem Zusammenschluss zweier Luftnummern entstanden; die Melvills und noch eine andere Darbietung. Sie arbeiteten gleichzeitig auf zwei unterschiedlichen Ebenen und auf zwei über Kreuz ausgerichteten Flugbahnen.

Mit Tony Steele, den Krone gegen Ende der 60er Jahre (?) – ich müsste nachsehen – groß herausstellte, kehrte der Trick des "Dreifachen", der seit den Codonas bei uns nicht mehr zu sehen gewesen war, zurück nach Deutschland. Eine sehr elegante Nummer um 1960 waren die Flying Palacios aus Mexico, die damals bei MTS brillierten. Die Truppe tauchte bei Krone etwas später nochmals auf, als ziemlich großes Ensemble arbeitend über zwei parallel ausgerichteten Trapezbahnen.

Miguel Vasquez war dann der erste mit dem Vierfachen. Ich sah ihn um 1982 bei Ringling im Madison Square Garden. Die Vasquez kamen dann zu Knie und waren auch bei Krone. Miguel Vasquez war – für einen Trapezflieger erstaunlich — von großer Statur, dabei gertenschlank. Er konzentrierte sich ganz auf seinen Spitzentrick und überließ die weitere Arbeit seinen Kollegen. Er war nicht besonders elegant, aber dieser eine Trick war natürlich "spitze".

So könnten hier noch viele Flugtrapez-Artisten genannt werden, wobei ja heute selbst das "klassische Flugtrapez" technisch anders konstruiert ist (anderer Flugwinkel hin zum Fänger) als zu Zeiten der Codonas, von den Trainingstechniken ganz zu schweigen. Die Russen und Asiaten haben in den letzten Jahren nun ganz abenteuerliche Trapez-Apparaturen entwickelt, wobei die Ausübenden vielfach offensichtlich vom Sport kommen. Nichtsdestotrotz hat das "klassische Flugtrapez" im Stile der Codonas (mit einem Fänger und zwei Fliegern) seinen Reiz bewahren können. Es wirkt unkomplizierter als die bisweilen "verqueren" Konstruktionen der Koreaner oder Russen, die zu unmöglichen Zielpunkten hin droben irgendwo herumsausen.

Soweit ein paar Bemerkungen zu einem der beliebtesten Genres der Circuskunst.
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Volker Reinke
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Circus Schumann - DK

Ungelesener Beitrag von Volker Reinke » 09.07.2007, 18:24

Ein Großteil der Schumann - Pferde ging 1968 zum Cirque Sabine Rancy in Frankreich, die ich dort erleben und genießen durfte.




:)
Mit circensischen Grüßen

Volker Reinke
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Re: Circus Schumann - DK

Ungelesener Beitrag von Klaus » 09.07.2007, 19:26

Hallo Freunde,

ja, das ist richtig: ein Großteil der Schumann-Pferde wurde damals von Sabine Rancy erworben. Ich sah den Circus Sabine Rancy in Paris und staunte über die schönen Freiheitsdressuren mit den herrlichen Steigern, die Frau Rancy vorführte (damals wusste ich nicht, dass diese Pferde von Schumann stammten).

Das Gastspiel von Schumann in der Kieler Ostseehalle muss Ende der 60er Jahre gewesen sein; ich könnte nachsehen. Mit im Programm war Charlie Rivel, bekanntlich der Schwiegervater von Albert Schumann. Bezeichnenderweise war der gesamte zweite Programmteil der Familie Schumann-Rivel gewidmet: man erlebte die tollen Pferdenummern, den jungen Benny Schumann als Jongleur und schließlich den Clown Charlie Rivel mit seinem berühmten Entree.

Es war ein sehr schönes Programm, wenn auch ohne Raubtiere, denn im Anschluss an das Kieler Gastspiel wechselten die Schumanns mit dem gleichen Programm nach Kopenhagen, wo Raubtiervorführungen bereits verboten waren. Aufgrund der Popularität eines Charlie Rivel hatten die Gebrüder Schumann in der Ostseehalle ein gutes Geschäft erwartet, zumal im Jahr davor der Moskauer Staatscircus dort sehr gut "gemacht" hatte. Für Schumann sollte es sich nicht lohnen. Auch in Kopenhagen liefen damals die Geschäfte nicht mehr so hervorragend wie früher, als der Circusbesuch bei Schumann Besuch zum festen Programm der Kopenhagen-Touristen gehörte. Wenige Zeit später stellten die Brüder Albert und Max Schumann ihren Circus ein, der ja im Grunde ohne Chapiteau existiert und nur feste Häuser bespielt hatte.

Fotos aus jener Zeit geben Kunde von den prächtigen Pferde-Freiheiten und phantasievollen Bildern der Hohen Schule, welche die Schumanns nicht allein in Kopenhagen gezeigt haben, sondern regelmäßig zur Christmas-Saison auch in London. Die Schumanns waren gutaussende Menschen und Pauline Schumann als bildschöne Frau besonders populär. Später hat Eli Benneweis versucht, seine Zieh-Tochter Diana auf ähnliche Weise "herauszustellen".
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Harald Madsen – ein weltberühmter Circusclown

Ungelesener Beitrag von Klaus » 12.07.2007, 00:02

Kaum einer weiß es heute noch, aber der dänische Circusclown, Artist und Filmschauspieler Harald Madsen war eine Zeitlang berühmter als jeder andere Akteur aus der Welt des Circus. "Pat und Patachon" (dies war Harald Madsen als "Patachon" und sein Landsmann Carl Schenström als "Pat") bildeten in den 20er Jahren ein beliebtes Filmkomikerpaar, eine Zeitlang das populärste in Europa. Der Tonfilm bereitete beider Karriere ein Ende. Die Sprachschwierigkeiten bildeten ein Hindernis, und ausgeklügelte Synchronisationsverfahren gab es damals noch nicht.

Madsen kehrte dorthin zurück, wo er hergekommen war: zum Circus. Im dänischen Silkeborg als Kind einfacher Leute geboren, hatte es ihn schon in jungen Jahren zur Manege gezogen. Er arbeitete als Akrobat, Schlangenmensch und Seiltänzer und wurde schließlich Mitglied des dänischen Clowntrios Gebrüder Miehe. Als vorzüglicher Partner August Miehes, einst Dänemarks bekanntester Clown, hatte Madsen, dem das komische Talent auf den Leib geschrieben schien, soviel "success", dass der Film auf ihn aufmerksam wurde. Nun war die Karriere der Stummfilm-Komiker "Pat und Patachon" nicht mehr zu stoppen, in Europa kannte sie jedes Kind.

Zu Wohlstand gekommen, wurde Harald Madsen in den 30er Jahren sogar für kürzere Zeit Direktor eines eigenen Circus, der jedoch wenig florierte. Überhaupt schien dem Berühmtgewordenen das Glück nun abhold zu sein. In diesem und jenem dänischen Circus war Madsen wieder als Clown zu sehen, die Beliebtheit früherer Zeit als Patachon erreichte er nicht.

Anders nach dem Kriege: Die Saison 1946 mit dem Circus Berny in Norwegen und die Saison 1948 mit dem Circus Gebr. Schmidt in Finnland brachten dem kleinen Dänen erneuten Erfolg. Seine alte Volkstümlichkeit schien zurückgekehrt. Madsen war glücklich wie ein Kind. Wenige Monate später starb er – am 13. Juli 1949 in einem Krankenhaus im dänischen Usseröd. Er wurde 59 Jahre alt. Heute ist Harald Madsen so gut wie vergessen.

(Ich schreibe diesen Beitrag nach eigenen Aufzeichnungen aus dem Jahr 1974 und stütze mich hierbei vor allem auf die dänische Artistenzeitschrift "Echo").
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Re: Circus Schumann - DK

Ungelesener Beitrag von Klaus » 12.07.2007, 10:57

Auch Paulina Schumann dürfte nicht ganz unbekannt gewesen sein; so war ihr Porträt zum Beispiel in Werbeanzeigen für Mode- oder Kosmetikartikel zu sehen. Aber Sören Kastoft hat recht: Schumann war der Circus von Kopenhagen, in der dänischen Provinz war Schumann relativ unbekannt. Max Schumann hat es später erfahren müssen, als er mit seinem schicken kleinen Zeltcircus, der so wunderbare Programme zeigte, auf Tour in Dänemark viel zu wenig Zuspruch fand.
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Re: Circus Schumann - DK

Ungelesener Beitrag von Klaus » 12.07.2007, 17:22

Hallo Sören,

es war Philipp Schumann (der Sohn von Max und Vivi Schumann), der gemeinsam mit Diana Benneweis und Claus Jespersen im Kopenhagener Circusgebäude Hohe Schule geritten ist, nicht Jacques. Ich habe Philipp dort selbst erlebt. Jacques hingegen, den ich gemeinsam mit der gesamten Schumann-Familie in der Kieler Ostseehalle gesehen hatte, hat sich nach meinen Informationen nach der Einstellung des Circus Gebr. Schumann vom Circus zurückgezogen (es wurde erzählt, dass er später als Advokat oder Geschäftsmann tätig war). Schade, denn beide Brüder – Benny genauso wie Jacques – waren gute Schulreiter und elegante Vorführer von Freiheitspferden, ebenso wie ihre Cousine Katja, die noch vielen Circusfreunden bekannt sein wird (von MTS, von Monte Carlo, vom Big Apple Circus).
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Heute vor 110 Jahren: Das Ende des Circus Renz

Ungelesener Beitrag von Klaus » 31.07.2007, 07:50

Heute vor genau 110 Jahren schloss der berühmte Circus Renz seine Pforten für immer. Ernst Jacob Renz, der aus einer armen Seiltänzerfamilie stammte, hatte in jungen Jahren seine Circusgesellschaft gegründet und sein Unternehmen während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum bedeutendsten Circus jener Zeit ausgebaut. Ernst Renz besaß feste Circusbauten in Hamburg, Wien, Breslau und natürlich in Berlin, wo bald der Stammsitz des Unternehmens entstand. Auch in Kopenhagens Circusbau, der noch vor wenigen Jahren von Benneweis bespielt wurde, hat Ernst Renz gastiert – er war, wenn ich richtig informiert bin, sogar der erste, der dort Vorstellungen gab.

Nach dem Tode des Circusgründers und überaus erfolgreichen Direktors Ernst Renz (1814 - 1892), der angeblich Zeit seines Lebens nicht lesen und schreiben konnte, ging der Circus an dessen Sohn Franz Renz (1846 - 1901) über. Der konnte das Unternehmen nicht mehr aufrecht erhalten und gab am 31. Juli 1897 in seinem Hamburger Gebäude die Schließung des traditionsreichen Circus bekannt. Damit verschwand der Name "Renz" für immer aus der Reihe der Circusse von Rang, so hat der russische Circushistoriker Jewgenij Kusznezow konstatiert.

Es darf als erwiesen gelten, dass direkte Nachfahren von Ernst Renz (nach dem die GCD bekanntlich ihre Ernst-Renz-Plakette benannt hat) heute in der Circuswelt nicht mehr tätig sind. Die Nachkommen von Ernst Renz bzw. dessen Sohn Franz, der den Circus nur über wenige Jahre leitete, wurden "bürgerlich" – Ernst Renz war als vermögender Mann gestorben und soll 16 Millionen Goldmark besessen haben. Der große und berühmte Circus Renz, dessen Name auch im Lexikon seinen Niederschlag fand, hat genau genommen keinen Nachfolger dieses Namens.

Die Circusfamilien Renz, die heute mit einem Circusgeschäft umherziehen, führen den berühmten Namen dennoch zu Recht. Sie gehen nämlich auf die Nachkommenschaft der zahlreichen Geschwister des Circusgründers Ernst Renz zurück. Diese Geschwister blieben großenteils dem Komödianten-Milieu verhaftet; Ernst Renz hatte zu ihnen wenig Kontakt. Ihre Nachkommen reisen noch heute umher – nicht zu vergleichen allerdings mit dem weltberühmten Circus Renz der Gründerjahre. Am 31. Juli 1897 ist er eingestellt worden – vor 110 Jahren!
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Vor 50 Jahren: Ringling packt seine Zelte für immer ein!

Ungelesener Beitrag von Klaus » 21.12.2007, 00:24

Vor 50 Jahren: Ringling packt seine Zelte für immer ein!

Es war vor 51 Jahren, nämlich 1956, als die "Größte Schau der Welt, die "Ringling Bros. Barnum & Bailey Show" in den USA die Reisesaison überraschenderweise mitten im Hochsommer abbrach. Drei Bahnzüge, die einzelnen Waggons in bunten, lustigen Farben, rollten druch den Bahnhof von Sarrasota in Florida. Eine hastig zusammengewürfelte Kapelle spielte Begrüßungsmusik, aber es war in Wirklichkeit ein Trauermarsch. Wenige Tage vorher war in Pittsburg das riesige Zelt zum letzten Male zusammengelegt worden.

Der Dreiringcircus, die Größte Schau der Welt, hatte seine Wanderschaft durch das Land aufgegeben. Genannt wurden viele Gründe. Das Fernsehen, fehlende Aufbauflächen für die riesige Zeltstadt, fehlender Parkraum für die Besucher. Das schlechte Wetter hatte in jenem Jahr viele Vorstelllungen auf aufgeweichten Plätzen verregnen lassen. Bei plötzlicher Hitze jedoch blieben die Besucher, die an luftgekühlte Theater gewöhnt waren, dem feuchtheißen Riesenzelt fern. Dazu kamen Schwierigkeiten mit den Gewerkschaften: Diese wollten die Circusarbeiter organisieren und stellten Sperrketten von Posten auf, wo immer der Circus Vorstellungen abhielt.

Dann erreichte die europäische Circuswelt aus den USA eine Meldung des folgenden Inhalts: Die Sache ist gar nicht so tragisch. Ringling hat lediglich die Zeltsaison beendet, weil es einfach nicht mehr möglich war, die erforderlichen 600 bis 700 Arbeiter zu finden, um den Circus zu transportieren. Auch der Kampf mit den Gewerkschaften gehörte mit zu den Gründen, aber dies nur in zweiter Linie. Es wäre sehr schade, denn noch am letzten Tag in Pittsburg saß das Publikum auf der Erde, und im Zelt, das 10.000 Personen faßt, waren 12.000 Personen anwesend.

Ringling werde nächstes Jahr, so hieß es weiter, wie üblich im Madison Square Garden anfangen, und dann werden nur noch feste Gebäude – wie Sportpaläste – bespielt, wo der Circus mit seinem technischen Stammpersonal von ca. 120 Mann auskommen kann.

Dabei blieb es bis auf den heutigen Tag. Der Wandel der "Größten Schau der Welt" vom Zelt- zum Hallencircus erfolgte vor genau 50 Jahren!

Gruß Klaus
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Alfons A.
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Re: Heute vor 110 Jahren: Das Ende des Circus Renz

Ungelesener Beitrag von Alfons A. » 06.10.2008, 19:24

Klaus hat geschrieben:Heute vor genau 110 Jahren schloss der berühmte Circus Renz seine Pforten... für immer...

Ihre Nachkommen reisen noch heute umher – nicht zu vergleichen allerdings mit dem weltberühmten Circus Renz der Gründerjahre. Am 31. Juli 1897 ist er eingestellt worden – vor 110 Jahren!

Hallo Klaus,

ich erlaube mir einige Bemerkungen zu deinem interessanten Beitrag zu machen.

Ernst Jacob Renz wurde am 18. Mai 1815 geboren, er konnte nachweislich nur seinen Familiennamen schreiben.

Tatsächlich gibt es keine direkten Nachfahren von Ernst Jakob Renz, die heute ein Zirkusunternehmen führen. In der allgemeinen Literatur befinden sich überhaupt keine Hinweise auf direkte Nachfahren, die bis in die heutige Zeit reichen. Durch meine Recherchen konnte ich jedoch zwei Familien in direkter Abstammung, eine davon in Neuseeland, finden. Mit diesen Familien stehe ich in engem Kontakt.

In der Literatur finden sich bislang neun Geschwister von Ernst Jacob, nachweislich waren es jedoch elf. Die Aussage, daß Ernst nur wenig Kontakt zu seinen Geschwistern hatte, stimmt nur für die Zeitspanne von seiner Kindheit, Jugend und bis zur Etablierung seines Zirkuses. Danach bestand zu vielen Geschwistern Kontakt, er bildete deren Kinder aus und engagierte sie.

Ich kann dir auf jeden Fall beipflichten, daß die heutigen geführten Zirkus-Unternehmen den Namen Renz zu Recht führen. Ein jeder von Ihnen vollbringt dennoch eine achtbare Lebensleistung. Ein Vergleich der alten und neuen Zeit ist m. E. nicht möglich.

Viele Grüße
Alfons
RENZ > kurzer Name, große Wirkung!
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Circusworld
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Re: Klaus Lüthje's Rückblicke:

Ungelesener Beitrag von Circusworld » 17.05.2020, 16:26

Immer wieder interessant, diese Rückblicke zu lesen. :D
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http://www.circusworld.de
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